Mord zur Bescherung
noch die Sache mit den Rentieren aufzuklären. Er sollte den Täter schon längst gefunden haben.«
»Rentiere fallen wirklich nicht in seinen Zuständigkeitsbereich«, murmelte Honey.
Ihre Mutter hörte schon nicht mehr zu. »Ich darf mich von dir nicht länger aufhalten lassen. Ich habe noch Einkäufe zu erledigen.«
Honey hatte keine Gelegenheit mehr, ihrer Mutter zu erklären, was Doherty anziehen würde und was nicht. Sie hegte die schwache Hoffnung, Gloria würde ihm vielleiht nur ein Paar Socken oder eine Krawatte oder einen schlichten Kaschmirpullover von Marks and Spencer kaufen.
Der Gedanke an Doherty brachte Honey ins Träumen. In ihren Gedanken trug er das Weihnachtsmannkostüm.
Da kam er aus der Bar und sah todernst aus, überhaupt nicht wie ein Mann, der sich bereitwillig den weiß-roten Anzug des hoteleigenen Sankt Nikolaus oder Weihnachtsmanns anziehen würde.
Mit nachdenklich gerunzelter Stirn ließ er sich auf einem Sessel nieder, neben dem Honey auf einem Tischchen vorsorglich ein Tablett mit Getränken abgestellt hatte. Er lehnte sich vor und blätterte die Seiten seines Notizbuchs durch.
Honey nahm ihm gegenüber mit ihrem eigenen Fragenkatalog Platz. Aber sie wollte ihm den Vortritt lassen.
Während sie darauf wartete, dass er etwas sagte, servierte sie ihm Kaffee und zwei Schokoladenkekse. Ohne ein Wort tunkte er die Kekse in den Kaffee ein und aß sie.
Honey nippte an einem Becher heißer Schokolade.
»Alle bestätigen, was du mir bereits gesagt hattest«, fing er endlich an. Er lehnte sich resigniert zurück und klopfte sich die Krümel von den Händen. »Niemand kann sich daran erinnern, Mr. Scrimshaw gesehen zu haben, weder vor noch während noch nach der Party. Und du sagst, er hatte ganz bestimmt auch für sich ein Zimmer bestellt?«
Honey nickte. »Es war Teil seiner Buchung. Sie sind jaauch noch für das Mittagessen am ersten Feiertag und die Gespenstergeschichten danach angemeldet.«
»Was war der denn für ein Typ?«, fragte Doherty.
Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Ich habe ihn ja nie gesehen. Es ist alles übers Telefon abgewickelt worden. Und ich war nicht hier, als er gekommen ist – wenn er überhaupt gekommen ist. Ich habe ihn nie gesehen. Nur mit ihm telefoniert.«
»Und wie klang seine Stimme?«
Sie versuchte an den Tag zurückzudenken, als sie den Anruf erhalten hatte. »Ganz normal. Er hat nicht viel geredet, war aber höflich. Er hat sich ab und zu geräuspert – du weißt schon, als hätte er einen trockenen Hals.«
Doherty nickte. »Hat er seinen Schlüssel abgeholt?«
»Ich denke schon. Ich habe die meisten aus der Gruppe von Mallory und Scrimshaw selbst eingecheckt, dann hat Anna übernommen.«
»Ist sie jetzt hier?«
»Nein, sie erledigt gerade etwas in der Stadt. Aber ich habe sie schon danach gefragt. Sie hat ein ziemlich gutes Gedächtnis.«
Außer wenn es darum geht, den Vater ihrer Kinder zu benennen, dachte Honey. Anna hatte nie sehr viel über ihr Privatleben erzählt. Dumpy Doris, Frühstücksköchin und Mädchen für alles im Green River, war einmal zu weit gegangen und hatte zart angedeutet, dass Anna sich von jedem flachlegen ließ, der enge Jeans trug und einen Knackarsch hatte. Kaum hatte Doris ihr den Rücken zugekehrt, da rammte Anna ihr schon mit aller Kraft den Staubsauger ins ausladende Hinterteil. Doris hatte einen ziemlichen Schreck bekommen. Anna hatte vor Wut gekocht und ihr in deutlichen Worten gesagt, sie solle sich um ihren eigenen Dreck kümmern.
»Anna erinnert sich daran, dass sie Scrimshaw seinen Schlüssel gegeben hat«, fuhr Honey fort, »aber sonst an nicht viel, weil sie gerade einen heftigen Krampf hatte und schnell zur Toilette rennen musste. Sie ist jetzt bald so weit.«
Verdammt bald! Hoffentlich würde Anna erst nach dem 2. Januar niederkommen, obwohl sie ja darauf beharrte, dass das Baby erst in zwei Monaten geboren würde. Honey hatte ihr gesagt, sie solle den Mutterschutz in Anspruch nehmen, der ihr zustand, aber Anna wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass sie das Sozialsystem ausnutzte.
»Ich arbeite, bis ich in den Kreißsaal muss, Mrs. Driver«, hatte sie resolut verkündet.
Honey hatte erwidert, dass das ihre Sache sei. Aber wenn sie ihr Baby zur Welt brachte, ehe der Krankenwagen da war, wäre das eine ganz andere Angelegenheit.
»Hat Scrimshaw seinen Schlüssel zurückgegeben?«, fragte Doherty.
»Der Schlüssel ist hier, er muss ihn also abgegeben haben.«
»Du meinst,
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