Mord zur Bescherung
fröhlich.
»Kein Grund, vulgär zu werden, Hannah.«
Wenn sie mit ihrem Taufnamen gerufen wurde, fühlte sich Honey wieder wie ein kleines Mädchen. Glorias Lebensansichten durchliefen wechselnde Phasen, die immer auch damit zu tun hatten, mit welchem Mann sie gerade zusammen war. Vor einiger Zeit war sie mit einem Methodisten ausgegangen. Der hatte den Alkohol für eine Ausgeburt der Hölle gehalten, und zudem waren alle vulgären Ausdrücke aus Glorias Vokabular verschwunden. Seine Ansichten zum Thema Sex hatte er nie deutlich geäußert. Aber die Beziehung hatte sehr viel kürzere Zeit gedauert als die Liaisons ihrer Mutter normalerweise. Honey hegte begründeten Verdacht, dass der Herr Methodist auch für diese Form der Sinnenfreuden nicht viel übriggehabt hatte.
Ihre Mutter erzählte ihr von Scrimshaw. »Ich hatte mal einen Freund, der Schriftsteller war und Mallory und Scrimshaw ein Buch zur Veröffentlichung angeboten hat. Und stell dir nur vor! Der alte Geizkragen wollte tatsächlich, dass mein Freund Alfred die Hälfte der Kosten für die Veröffentlichung seines Buchs übernahm!«
Honey atmete erleichtert auf. Einen schrecklichen Augenblick lang hatte sie befürchtet, dass Clarence Scrimshawsich im Internet auf Glorias Partnerschafts-Börse für die Generation sechzig plus eingeschrieben hatte. Was für Probleme sich daraus noch hätten ergeben können!
»Also, Fred, du weißt schon, mein neuester Verehrer, der hat gemeint, dass ich in meiner Partnerschaftsbörse Schnee auf dem Dach viel zu viele Einzelheiten von den Leuten wissen will. Aber ich denke doch, man will einiges über die vergangenen Ehen und Beziehungen einer Person erfahren, ehe man sich festlegt, findest du nicht?«
»Ich weiß nicht, ich habe noch nie so was benutzt.«
»Nun, mit meiner wirst du bestimmt sehr zufrieden sein. Ich kriege garantiert viele Klicks. Da ist sich Fred sicher. Du wirst es nicht bereuen, wenn du dich da registrierst, ehrlich nicht.«
Honey schüttelte energisch den Kopf. »Mutter, deine Partnerschaftsbörse ist für Leute über sechzig, und ich glaube nicht …«
Ihr Protest fiel auf taube Ohren. Ihre Mutter war ihr mit ihren Plänen schon weit voraus.
»Fotos sind ja schön und gut, aber ich denke, ein Video würde noch besser funktionieren. Natürlich müsstest du, ehe wir drehen, etwas Anständiges zum Anziehen für das Werbefilmchen finden. Und lass dir die Haare machen«, fügte sie mit einem Seitenblick auf einen alles verdeckenden Hut hinzu, den Honey im Schrank mit den liegengebliebenen Sachen gefunden hatte.
» Den Hut kannst du schon mal gar nicht tragen, das ist sicher. Sonst halten dich die Männer womöglich für einen Gartenzwerg.«
»Die Männer können mich mal …«
»Ich bleibe nicht hier, wenn du solche Ausdrücke benutzt! Ich gehe jetzt einkaufen.«
Mit hocherhobenem Kopf und einem Gesicht, als hätteman ihr einen übelriechenden Käse unter die Nase gehalten, bereitete sich Gloria Cross auf den Aufbruch vor. Höchst sorgfältig zog und zupfte sie ein paar goldgelbe Lederhandschuhe zurecht und war für Honeys Proteste taub.
Honey zählte langsam bis zehn, versuchte, sich nicht zu sehr aufzuregen und sich daran zu erinnern, dass schließlich bald Weihnachten war, dass diese Frau ihre Mutter war und mit Respekt behandelt werden sollte.
»Hast du schon alle deine Weihnachtsgeschenke?«, fragte Honey, und selbst in ihren Ohren klang ihre Stimme überraschend gelassen.
»Für alle! Nur für ihn noch nicht!« Die aprikosenfarbenen Lippen ihrer Mutter schrumpften zu einer dünnen Linie zusammen. »Dein Freund ist sehr schwierig zu beschenken. Und sag mir bloß nicht, ich solle ihm einfach eine Flasche Whisky kaufen. Da ist meine Antwort nein. Ich werde niemanden zum übermäßigen Alkoholkonsum ermutigen! Und jetzt muss ich mich beeilen.« Sie machte einen Schritt auf den Ausgang des Hotels zu, wandte sich dann aber noch einmal um. »Ich werde jedoch mein Möglichstes tun, um deinen Herrn Polizisten aus seiner völligen Unwissenheit in Sachen Mode zu erlösen. Wer könnte das besser als ich? Übrigens ist Fred genau der Richtige, um sich dieses Jahr als Weihnachtsmann zu verkleiden.«
»Doherty hat sich auch angeboten.«
»Der ist zu dünn«, befand ihre Mutter. »Das wäre also entschieden. Außerdem hat Fred von Natur aus einen weißen Bart. Und dein Verehrer hat auch viel zu viel zu tun, um den Weihnachtsmann zu spielen. Er hat eine Morduntersuchung zu führen, und dann ist da ja
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