Mord zur Bescherung
du hast nicht gesehen, wie er ihn zurückgegeben hat?«
Sie schüttelte den Kopf und deutete auf den Schlitz im Empfangstresen und den Hinweis, der die Gäste bat, ihre Schüssel dort hineinzuwerfen. »Der Schlüssel war hier drin. Er musste ihn nicht persönlich abgeben.«
Honey hatte das Gefühl, dass sie das näher erläutern musste. »Scrimshaw hat seine Rechnung im Voraus bezahlt, einschließlich der Drinks von der Bar, des Essens und der Zimmer. Er musste nach der Büroweihnachtsfeier nur noch den Schlüssel abgeben, und das hatte er gemacht. Was ist also mit den Leuten da drin – hast du irgendeinen Verdacht?« Sie hielt ihren Schreibblock an die Brust gepresst und wartete auf den richtigen Augenblick.
Doherty verneinte. »Scrimshaw ist gestern Abend zwischensechs und acht Uhr gestorben. Sechs von seinen Leuten hier waren um diese Zeit bereits in der Bar. Einer ist auf den Parkplatz gerufen worden, um die Alarmanlage an seinem Auto abzuschalten. Eine Frau war einkaufen, eine andere noch beim Frisör, und ein Ehepaar musste schnell nach Hause, weil es Schwierigkeiten mit der Mutter gab. Drei von denen in der Bar sind auf eine Zigarette kurz vor die Tür gegangen – aber nicht lange genug, um zum Büro zurückzusprinten und jemandem einen Brieföffner ins Ohr zu rammen.«
Honey verzog das Gesicht. »Eklig.«
Doherty strich sich mit dem Finger über die Wange, während er alles überdachte. Honey mochte das raspelnde Geräusch, das dabei entstand. Steve rasierte sich nicht gern, besonders wenn es so kalt war wie jetzt.
»Ich habe eine Liste zusammengestellt«, verkündete Honey. Sie reichte ihm ihren Block.
Doherty las die Fragen durch.
»Was meinst du?«
»Alles sehr relevant. Versuchen wir’s mal damit.«
Sie folgte ihm in die Bar, wo sich gerade die letzten Leute von Mallory und Scrimshaw zum Gehen anschickten.
Resigniert fügten sie sich in ihr Schicksal, als Doherty wieder im Raum erschien.
»Ehe Sie gehen, hätte meine Kollegin hier noch ein paar Fragen.«
David Longborough wirkte ziemlich sauer. »He! Nicht schon wieder! Was zum Teufel soll das alles?«
»Nur ein paar Fragen«, sagte Honey.
»Sie sind keine Polizistin.«
Jetzt musste Doherty die Lage klären. »Mrs. Driver ist die Verbindungsperson zwischen dem Hotelverband und der Kriminalpolizei. Unsere Stadt lebt vom Tourismus. Leute,die sich sehr darum bemühen, Bath für Touristen attraktiv zu machen, übernehmen auch eine aktive Rolle, wenn ein Verbrechen begangen wurde, besonders, wenn es sich um ein so schweres Verbrechen wie dieses hier handelt. Und jetzt setzen Sie sich bitte hin.«
Vielleicht war es Dohertys sachlicher Ton, vielleicht auch seine entschlossene Körpersprache, jedenfalls nahm David Longborough brav als Erster wieder Platz. Die anderen folgten seinem Beispiel. Das machten sie offenbar immer so, überlegte Honey. Gleich von Anfang an hatte sie bemerkt, dass Longborough ein Anführertyp war und noch dazu ein ziemlich arroganter.
Doherty nickte Honey zu. Sie stellte ihre erste Frage.
»Können Sie uns sagen, wo Mr. Scrimshaw gewöhnlich Weihnachten verbracht hat, und wenn ja, mit wem?«
David schaute Samantha Brown an, die nervös hin und her rutschte. »Das kannst du beantworten, nicht wahr, Samantha?«
Am Vorabend hatte Samanthas blondes Haar glänzend und frisch ausgesehen, heute hing es ihr schlaff und matt ums Gesicht.
»Er ist immer in ein Hotel in Ilfracombe gefahren. Es heißt Bay View.«
»Wieso Ilfracombe? Hatte er da Freunde?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich denke, er ist dahin gefahren, weil es billig war.«
Honey musste die zweite Frage nicht vom Block ablesen. Sie kannte sie auswendig.
»Hat er jemandem Weihnachtskarten geschickt, und wenn ja, an wen?«
Diesmal antworteten mehr als eine Person, die meisten mit einem kurzen, verächtlichen Lachen. »Nein. Der hat keine verschickt. Viel zu geizig.«
»Hat er welche bekommen?«
»Natürlich«, blaffte Mrs. Finchley, die sich mit einem Papiertaschentuch die rotunterlaufenen Augen tupfte. »Manche Leute haben an ihn gedacht.«
Doherty warf ihr seinen durchdringendsten Blick zu. »Und wer war das?«
David Longborough kicherte gehässig. »Hauptsächlich Mrs. Finchley selbst. Es würde mich nicht wundern, wenn sie sämtliche Karten, die er bekam, eigenhändig geschrieben hätte.«
»Jetzt reicht’s aber!« Mrs. Finchley funkelte ihn wütend an. »Sie haben einfach nur Probleme mit Ihrer Arbeitseinstellung, David
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