Mord zur Bescherung
Tischen verteilt werden mussten. Sie kickte einen vom Vorabend übriggebliebenen Luftballon zur Seite, schenkte zwei Tassen Kaffee ein und stellte sie auf einen Tisch.
»War dieser Ballon der Kopf deines verblichenen Gatten?«, erkundigte sich Doherty, der dem durch den Raum schwebenden Ballon nachschaute.
»Wie kommst du denn darauf?«
Er zuckte die Achseln. »War ein Scherz – glaube ich.«
Die Erinnerung an Carl lag Honey heute wie ein unangenehmer Nachgeschmack im Mund, und sie wollte eigentlich nicht über ihn reden.
Sie reichte Doherty eine Tüte mit Luftballons. »Die kannst du aufblasen und in das große Netz da drüben tun. Wenn das voll ist, hängen wir die Ballons unter der Decke auf.«
Er schaute leicht belustigt. »Ich kenne ein tolles Spiel mit Luftballons. Das spielt man am besten nackt.«
»Das glaube ich dir sofort.« Ihre Phantasie lief auf Hochtouren, als er ihr wissendes Lächeln erwiderte. Sie kannte dieses Spiel auch; man musste einen Ballon zwischen zwei Körpern festhalten und weitergeben, zwischen dem Körper einer Frau und dem eines Mannes natürlich.
»Das hier ist was für Kinder. Lindsey sollte die Ballons aufblasen«, rief er plötzlich.
»Sie ist kein Kind!«
Lindsey war nun schon beinahe zwanzig, aber Dohertyhatte recht. Normalerweise half sie bei solchen Dingen, aber heute war sie in einer ganz untypischen Stimmung.
»Und?«
Honey wusste, was er mit seiner Frage meinte. Dass er Lindsey als Kind bezeichnet hatte, sollte sie wohl aus der Reserve locken. Er wusste, dass es zwischen Mutter und Tochter im Augenblick nicht so glattlief, und da er nun einmal Polizist war, konnte er sich die Neugier einfach nicht verkneifen. Auf Honeys Bitte hatte er die Verlobung ihrer Tochter gegenüber nicht erwähnt. Nun erkundigte er sich danach.
»Sie weiß alles«, antwortete Honey und erklärte ihm, dass ein Constable Lindsey die Neuigkeit verraten hatte.
»Das ist gar nicht gut.« Er runzelte die Stirn. »Er hätte die Klappe halten sollen. Es muss an der Vorweihnachtszeit liegen. Da konzentriert sich niemand auf das, was er eigentlich tun sollte. Wie hat sie es denn aufgenommen?«
»Sie ist ziemlich daneben und nicht sonderlich hilfsbereit. Es wäre mir lieber, wenn du die Sache ihr gegenüber nicht erwähnen würdest.«
»Geht klar.«
Er strich ihr mitleidig mit dem Finger über die Wange. Die Geste hätte sie beruhigen sollen, aber stattdessen schmerzte sie ein wenig. Es tat ihr weh, dass Lindsey so kurz angebunden zu ihr war.
Es war, als hätte sich eine große Glasscheibe zwischen sie geschoben. Sie konnte Lindsey deutlich sehen, aber nicht berühren. Das war schlimm für sie. Im Bruchteil einer Sekunde hatte sich alles geändert. Es fiel ihr schwer, damit klarzukommen, besonders so kurz vor Weihnachten. Seit Honey das Green River Hotel gekauft hatte, war Lindsey ihr immer eine ungeheure Unterstützung gewesen. Heute, ausgerechnet zwei Tage vor Heiligabend, war sie keineswegs mehr so hilfsbereit.
Auch Anna bereitete ihr Kopfzerbrechen. Sie war zur Arbeit erschienen, obwohl das Baby jeden Augenblick kommen konnte. »Heute gibt es für mich doch nur Dinge zu tun, bei denen ich sitzen kann, denke ich«, hatte sie mit ihrem niedlichen polnischen Akzent gesagt. »Ich schreibe die Platzkärtchen für das Abendessen an Weihnachten und die Namensschildchen für die Leute, die zur Geisterlesung kommen. Das ist kein Problem. Ich sage Ihnen, ich habe noch zwei Monate. Zwei Monate. Ich weiß es besser als der Arzt.«
»Und was hat der Arzt gesagt?«
Anna schnitt eine Grimasse. »Der irrt sich. Ich bin noch nicht bereit. Das Baby ist noch nicht bereit.«
Auf keinen Fall wollte Honey ihr widersprechen. Wenn sie jetzt strenge Töne anschlug, regte sich Anna vielleicht auf, und die Wehen setzten gleich hier und jetzt ein. Das passte zwar recht gut zu Weihnachten, aber das Green River Hotel war schließlich kein Stall in Bethlehem, sie, Honey Driver, war keine Hebamme, und Anna, das süße Schätzchen, war ganz sicherlich keine Jungfrau. Aber abgesehen davon würden vielleicht die Leute in Scharen herbeiströmen, wenn das freudige Ereignis das Hotel auf die Titelseite des Bath Chronicle brachte.
Honey rief sich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und widmete sich der Aufgabe, die zu erledigen war. Auch Doherty tat sein Bestes. Ein gewaltiger Atemstoß, und ein lila Ballon war voll aufgeblasen.
»Was denkst du, was zwischen Lindsey und dem Professor läuft?«, fragte er, während
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