Mord zur besten Sendezeit
persönlich. Sie hatte schließlich die Leiche gefunden.
Sie schob das Glas von sich. »Weißt du, was das Schlimmste an der Sache ist?«
»Sag’s mir.«
»Ich habe das Gefühl, der Mörder hat das nur getan, um mich zu erschrecken.«
Lindsey verschränkte die Arme. »Verstehe.«
»Wirklich?«
»Du nimmst es persönlich. Das weiß ich. Und es bedeutet, dass du dich auf die Sache stürzen wirst wie ein Bluthund auf den Fuchs, bis du den Mörder zur Strecke gebracht hast.«
Honey nickte. »Hm.«
Nun tauchte Smudger auf. Sein goldrotes Haar klebte ihm verschwitzt am Kopf. Die Kochmütze, die er gerade erst abgenommen hatte, hatte es zusammengedrückt.
»He, Chefin. Stimmt das, dass du eine prominente Leiche gefunden hast, die jemand in einen Kamin gestopft hat?«
»Jawohl, die Leiche von Arabella Neville höchstpersönlich«, antwortete Lindsey.
Das beeindruckte Smudger nicht sonderlich. »Arabella Neville?« Er schüttelte den Kopf. »Nie gehört.«
Smudgers Interesse beschränkte sich auf Fußballer oder Popstars. Die Tür fiel wieder hinter ihm zu.
Das Telefon klingelte. Noch ehe Lindsey den Hörer abgehoben hatte, wusste Honey instinktiv, dass es entweder Casper St. John Gervais, der Vorsitzende des Hotelfachverbands von Bath, oder ihre Mutter sein musste.
Der Vorsitzende des Hotelfachverbands hatte es sich zur Aufgabe gemacht, stets bestens über alle Verbrechen informiert zu sein, die in der ach so eleganten und zivilisierten Stadt Bath begangen wurden, in der er so gern lebte.
Doch wenn es um Klatsch ging, konnte niemand Honeys Mutter Gloria Cross das Wasser reichen. Ein passender Titel für sie wäre der der Vorsitzenden und allgemeinen Nachrichten- und Klatschbeauftragten der konservativen Seniorenvereinigung von Bath gewesen.
»Hannah. Ich rufe aus dem Nagelstudio an. Du musst lauter sprechen, denn ich bekomme gerade die Nägel lackiert – regenbogenfarben mit kleinen Glitzersteinen – und Tracey muss mir das Telefon ans Ohr halten. Der Lack ist noch nicht trocken. Sie hat auch die Nummer gewählt.« Eine kleine Pause trat ein. »Du bist doch am Apparat, Hannah, oder nicht?«
Lindsey verkündete tonlos: »Es ist Großmutter« und reichte ihrer Mutter den Hörer.
Honey verdrehte die Augen. Das hatte ihr gerade noch gefehlt.
»Ich bin’s.«
»Oh, gut. Du hast doch nicht vergessen, das Geschenk für Wilbur und Alice zu kaufen, oder?«
Wilbur und Alice?
Wer zum Teufel waren Wilbur und Alice? War einer von den beiden Verwandtschaft? Oder waren beide alte Freunde ihrer Mutter? Warum sollte sie ihnen ein Geschenk kaufen? Zur goldenen Hochzeit vielleicht? Honey hatte keinen blassen Schimmer, wollte das aber nur ungern zugeben.
»Es tut mir leid, Mutter. Ich habe einen außergewöhnlichen Tag hinter mir. Ich habe wirklich Schwierigkeiten, mich auf irgendwas zu konzentrieren …«
»Du hast es vergessen!«
»Mutter, wie kannst du das sagen?«
»Eine Hochzeit. Die erste Hochzeit von zwei meiner Kunden, und du hast sie vergessen! Das verletzt mich, Hannah! Das verletzt mich sehr!«
Honey klatschte sich mit der flachen Hand auf die Stirn. »Natürlich. Die Hochzeit. Wilbur und Alice. Ich habe ihnen Champagner gekauft.«
»Die beiden trinken keinen Alkohol.«
Die Stimme ihrer Mutter war eisig.
»Natürlich nicht. Wie dumm von mir. Ich habe ihnen …« Sie hielt inne, während sie in Panik ihrer Tochter Zeichen machte. Lindsey wedelte mit der Hotelbroschüre vor ihrer Nase herum, aufgeschlagen auf der Seite mit der Hochzeitssuite.
»Die Hochzeitssuite. Ein kostenloses Wochenende in unserer Hochzeitssuite.«
Die Antwort ihrer Mutter war niederschmetternd. »Oh, das geht überhaupt nicht. Die beiden können unmöglich zusammen schlafen. Er hat Arthritis, und sie leidet an nächtlichen Schweißausbrüchen. Über achtzig sind die Leute ja gesundheitlich sehr anfällig.«
Obwohl die Versuchung groß war, sich bei ihrer Mutter zu erkundigen, warum sich die beiden überhaupt die Mühe machten zu heiraten, verkniff sich Honey diese Frage. Sie wollte die grausigen Einzelheiten gar nicht hören.
Lindsey tat so, als schlüge sie ihren Kopf vor Verzweiflung an die Wand. Aber sie lachte dabei. Honey überlegte ernsthaft, es ihr nachzutun. Kein Hotelgast konnte einem so auf die Nerven gehen wie ihre Mutter. Die hatte es sich sozusagen zur Aufgabe gemacht, Leute auf die Palme zu bringen.
Es gab keinen anderen Ausweg, als ihre Niederlage einzugestehen und auf Vergebung zu hoffen.
»Was schlägst du
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