Mord zur besten Sendezeit
untersuchte.
Honeys Schritte hinterließen verschmierte Spuren auf dem schmutzigen Boden. Käfer flitzten in Deckung, als sie durch den Raum zum Kamin ging. Etwas, das ein wenig größer war als eine Spinne, huschte unter den Küchenschrank.
Eine Maus? Eine Ratte?
Honey mochte keine kleinen Viecher. Punktum. Nicht einmal Hamster. Oder Wüstenspringmäuse.
Einen Augenblick lang hielt sie die Luft an und wartete darauf, dass sich das huschende Geschöpf zeigen würde. Nichts. Hoffentlich würde das Tierchen auch weiterhin unsichtbar bleiben, solange sie hier drin war.
Hinter ihr war auf einmal ein weiteres Rascheln zu hören. Honey erinnerte sich, dort einen Haufen verrottender Futtersäcke gesehen zu haben.
Eine Maus! Eine Ratte!
Angespannt wie ein Sprinter im Startblock drehte sie sich auf dem Absatz um, nur leider trug sie keine Sportschuhe. Das Moos und die allgemeine Feuchtigkeit hatten den Boden glitschig gemacht, und uneben war er ohnehin. Der Absatz eines ihrer hochmodischen Stilettos brach zwischen zwei Bodenfliesen ab.
Sie schaute hin. »Ich glaub’s einfach nicht!«
Ihr Fuß steckte noch im Schuh. Der Absatz klemmte in der Fuge zwischen den Fliesen wie ein leicht schiefer Pilz.
Sie konnte unmöglich lange auf einem Bein balancieren. Sie hatte zwei Beine und zwei Füße, und in ihrem Alter ging es eben nur mit beiden. Auf einem Bein stehen, das war etwas für Ballerinas und Skateboard-Fahrer. Dann war noch der Preis der Schuhe zu bedenken. Absätze konnte man ja wieder ankleben; diese Edelteile hatten so viel gekostet, dass sie das todsicher versuchen würde.
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zu bücken und den verdammten Absatz herauszuziehen. Der Boden war furchtbar schmutzig, aber sie behielt den Preis der Schuhe fest im Blick. Dreck konnte man wieder abwaschen. Sie beugte sich hinunter und zog fest. Zu fest. Sie fiel nach hinten, und Hände, Absatz und Hinterteil machten unsanfte Bekanntschaft mit Moos und Dreck.
»Scheiße!«
Ihr Schrei und die plötzliche Bewegung veranlassten das, was sich bisher unter den verrottenden Futtersäcken verborgen hatte, dazu, aus der Deckung zu kommen und in Richtung Kamin zu flitzen.
Normalerweise hätte sich Honey den Dreck von den Händen gewischt und sich wieder auf die Beine hochgerappelt. Doch jetzt war ihr Auge auf etwas gefallen. Ihr Herz raste. Ihr Magen krampfte sich zusammen.
Sie japste und blieb auf allen vieren. Wenn sie nicht hingefallen wäre, hätte sie es nicht bemerkt. Vom Fußboden aus konnte sie etwas weiter in den Kamin hineinschauen, ein wenig unter dem schweren Balken hindurch, der die Steine abstützte.
Da war ein teurer Schuh zu sehen, der nicht ihr gehörte. Er hing auf der Höhe des breiten Simses in dem alten Kamin. Das allein wäre schon seltsam genug gewesen, aber es kam noch schlimmer. Denn es steckte ein Fuß im Schuh, und der Fuß war an einem Bein. Wo ein Bein war, musste ein Körper sein. Auch diese Vermutung stimmte.
Acht
Honey zitterte. Zusammen mit dem Makler, der neben ihr stand, schaute sie zu, wie man Arabella Nevilles Leiche aus dem verdreckten Gebäude in den Leichenwagen brachte.
Seltsam, was sie außerdem noch alles bemerkte: Wie der Gerichtsmediziner ein Papiertuch aus einer Schachtel nahm, die er unter dem Arm trug, und sich schnäuzte. Das Absperrband der Polizei, das überall flatterte wie Fähnchen bei einem Dorffest.
Der überschwängliche Glenwood Halley war verstummt. Seine wie aus Stein gemeißelten Gesichtszüge erinnerten Honey an die Standbilder auf der Osterinsel. Seit man die Leiche gefunden hatte, hatte er entweder starr vor sich hin gestiert oder jedem, der zuhörte, Löcher in den Bauch gefragt.
»Wer ist es?«, hatte er Honey dreimal gefragt. Dreimal hatte sie ihm geantwortet, dass es Arabella Neville war.
»Nein«, hatte er kopfschüttelnd erwidert. »Das kann nicht sein.«
Genau wie ihre Kommentare auf der Hinfahrt im Auto waren ihre Antworten einfach nicht zu ihm durchgedrungen.
Eine Hand packte sie sanft an der Schulter.
»Geht’s dir gut?«
Doherty hatte eine grimmige, sehr entschlossene Miene aufgesetzt.
Honey schauderte und holte tief Luft. »Ich habe noch nie vorher eine Leiche gesehen – zumindest kein Mordopfer selbst gefunden.«
Er lächelte – es war nur ein halbes Lächeln, aber sie wusste seine Wärme zu schätzen.
»Nimm’s nicht zu schwer. Versuche, an etwas Beruhigendes zu denken. An alles, nur nicht an sie. Von mir aus kannst du gern an mich denken.
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