Mord zur besten Sendezeit
und verkniff sich mit äußerster Mühe einen Kommentar. Sie schaute weg.
»Also jetzt«, sagte ihre Mutter mit entschlossenem Blick und gefalteten Händen. Mit den Ringen, die an ihren Fingern blitzten, sahen sie aus wie der Rücken einer juwelengeschmückten Schildkröte. »Ich habe mir Gedanken über die Ausstattung und Möblierung dieses Landhaushotels gemacht – wenn es erst einmal richtig renoviert und umgebaut ist natürlich. Chintz wäre schön. Das gehört einfach zu einem Landhaushotel, viel Chintz. Und chinesische Teppiche. Weiße Marmortischlampen mit rosa Seidenschirmen …«
Ihre Mutter plapperte munter weiter. Sie hatte alles bereits bis ins kleinste Detail geplant. »Ich habe auch schon Zeichnungen gemacht – keine technischen Zeichnungen natürlich, künstlerische Skizzen, wie die fertigen Zimmer aussehen würden.«
»Mutter, in diesem Haus wurde eine ermordete Frau gefunden. Und zwar von mir.«
»Na und? Sollte dich das veranlassen, ein sehr gutes Geschäft auszuschlagen?«
»Ja.«
»Hannah, ich habe mir eine Riesenmühe für dich gemacht. All diese Entwürfe! Und jetzt sagst du mir, dass du das Haus nicht kaufen willst?«
Honey seufzte. Ihre Mutter kapierte es einfach nicht. Und John Rees entfernte sich immer weiter.
»Okay. Einverstanden. Prima. Hast du die Entwürfe dabei?«
»Nein. Die sind bei mir zu Hause. Du musst mal vorbeikommen und sie dir ansehen. Jean Paul hat mir dabei geholfen. Er ist künstlerisch sehr begabt.«
Honey schaffte es, die Augen nicht zu verdrehen, und kippte ihren Sherry hinunter. Auf der Zunge schmeckte er süß, aber dann brannte er im Hals.
»Jean Paul, müsste ich den kennen?«
Es war kaum zu sehen, aber Honey bemerkte eine leichte Röte, die sich auf die Wangen ihrer Mutter stahl.
»Er ist ein sehr lieber Freund. Aus der Dordogne.«
»Und er ist Innenarchitekt?«
Honeys Mutter schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht. Er hat sich von all dem zurückgezogen. Aber er ist Franzose, lebt allerdings schon ein paar Jahre in England.«
Ein böser kleiner Verdacht nagte an Honey.
»Hast du den online kennengelernt? Etwa über deine Partnerbörse?«
Gloria schaute ganz neckisch. »Na ja, so ähnlich.«
»Jean Paul klingt ja wirklich französisch. Ist er ein waschechter Franzose?«, fragte Honey.
»O ja«, schwärmte ihre Mutter.
Honey lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Sie brauchte jetzt ein wenig Abstand. Glorias Begeisterung wurde ihr ein bisschen zu viel. Die fächelte sich gerade mit einer roten Papierserviette Kühlung zu.
»Er ist also ein heißer Kandidat. Das willst du wohl damit andeuten?«, erkundigte sich Honey.
Ihre Mutter lächelte seltsam, und es lag eindeutig ein Funkelnin ihren Augen, ein Funkeln, das man bei über Siebzigjährigen nicht oft zu sehen bekommt.
»Nun ja. Warum sollte ich die besten Sahneschnitten an die anderen weitergeben? Diese hier habe ich jedenfalls für mich behalten.«
»Nur weil er Franzose ist, macht ihn das aber noch lange nicht zu einem begnadeten Innenarchitekten.«
»Aber Jean Paul ist einer.«
Darüber wollte Honey jetzt lieber nicht streiten. Wenn ihre Mutter sich einmal eine Meinung zu etwas oder über jemanden gebildet hatte – insbesondere über einen Mann –, dann konnte man mit ihr nicht mehr reden. John Rees war längst auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Der Kellner kam zurück. Er hatte strahlend weiße Zähne, sonnengebräunte Haut und blauschwarzes, nach hinten gegeltes Haar.
»Noch ein Sherry, die Damen?« Sein Lächeln reichte von einem Ohr zum anderen.
»Ja, bitte noch einen doppelten«, blaffte Honey.
»Ich dachte, du magst keinen Sherry?«, sagte ihre Mutter und schaute sie vorwurfsvoll an.
Honey zerrte sich das Tuch vom Kopf und nahm die Sonnenbrille ab.
Von John Rees war nicht mehr die geringste Spur zu sehen, also brauchte sie ihre Verkleidung auch nicht mehr. Außerdem juckte ihr Kopf. Sie begann sich zu kratzen.
Als sie gerade überlegte, ob sie so schnell wie möglich nach Hause und die Haare mit einer Mischung aus Essig und irgendwas waschen sollte, was für Ungeziefer giftig ist – Hamamelis oder so –, hörte man aus dem Inneren der Weinbar nebenan laute Stimmen.
Das ist eigentlich in Weinbars nichts Besonderes. Honey schaute zur Tür und erblickte dunkles Holz, blank gebohnerte Fußböden und hübsche Lampen.
Ein Kellner führte einen jungen Mann aus der Bar. EineHand lag auf der Schulter des jungen Mannes, mit der anderen hatte er ihm den Arm auf den
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