Mord zur besten Sendezeit
Rücken gedreht.
»Das können Sie mit mir nicht machen!«, rief der Gast und warf den Kopf zurück, dass sein langes Haar nur so flog.
Auf dem arroganten Gesicht lag ein mürrischer Ausdruck. Seine Kleider sahen aus, als hätte er darin geschlafen.
»Lassen Sie mich sofort los! Ich will noch einen Drink! Ich verlange einen Drink!«, schrie er.
Der Kellner lockerte den Griff nicht und schob den jungen Mann die Stufen hinunter.
»Sie haben wirklich genug, Sir«, antwortete er mit grimmiger Höflichkeit.
Honeys Mutter schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Die Leute in diesem Land trinken einfach viel zu viel.« Sprach’s und nahm noch einen Schluck von ihrem Sherry.
Der junge Mann hatte sie gehört. »Verdammt, Sie haben hier überhaupt nicht zu schnalzen, Sie blöde alte Schachtel!«
Honey verbarg ihr Gesicht in den Händen und stöhnte leise. Das hätte er nicht sagen sollen! Nur weil ihre Mutter nicht mehr ganz jung war, hieß das nicht, dass sie kein feuriges Temperament hatte. Das hatte sie nämlich.
Gloria Cross, eins sechzig mit Absätzen, sprang auf. Rums, hatte sie dem jungen Mann die Handtasche um die Ohren gehauen. Einmal. Zweimal.
»Entschuldigen Sie sich, junger Mann, ehe ich Sie zu Brei schlage. Ich habe ein paar schwere Waffen in dieser Handtasche, kann ich Ihnen sagen. Sie können gern noch eine Kostprobe bekommen, wenn Sie wollen. Und, wollen Sie, Sie Mistkerl? Wollen Sie?«
Die schwergewichtige Handtasche ihrer Mutter enthielt stets mindestens einen dicken Kitschroman. Noch zwei Treffer damit, und der junge Mann lag am Boden.
»Aufhören!«, rief er und hielt die Arme schützend über den Kopf. »Diese Tasche ist ja tödlich.«
»Die ist von Mulberry«, erklärte ihre Mutter, nachdem sienoch ein letztes Mal zugeschlagen hatte. »Und sie ist aus nachwachsenden Rohstoffen. Straußenleder.«
Honey sah vor ihrem geistigen Auge bereits die Schlagzeile über die ältere Dame, die einen betrunkenen Jüngling zu Tode geprügelt hat. Sie schritt ein.
»Mutter, das reicht.«
Gloria Cross ließ die Tasche sinken. »Ach du Schreck!«, rief sie aus. »Ich muss ja furchtbar aussehen!« Dann setzte sie sich hin und zog Puderdose, Lippenstift und Vergrößerungsspiegel aus der Tasche. »Ganz gleich, was einem im Leben widerfährt. Es ist niemals eine Entschuldigung dafür, nicht gut auszusehen.« Sprach’s, schürzte die Lippen und zog die Konturen nach.
Honey war der Meinung, dass sie jede Menge Entschuldigungen dafür hatte, mit leicht verschmiertem Make-up und Lippenstift dazustehen. Das Leben war viel zu kurz, um sich dauernd das Make-up auszubessern.
Der junge Mann saß auf dem Bürgersteig, den Kopf auf den Knien, die Arme schützend darüber verschränkt. Honey beugte sich über ihn. »Geht es Ihnen gut?«
Er schien eine ganze Weile nachzudenken, ehe er den Kopf schüttelte.
»Nein, es geht mir nicht gut. In meinem Leben wird nichts jemals wieder gut sein. Seit sieben Jahren ist nichts mehr gut. Seit sieben Jahren, verdammt!«
Normalerweise war Honey nicht der Typ, der freundlich an den Leiden junger Leute Anteil nahm, aber sie hatte als junge Frau selbst genug durchgemacht, um sich für eine Art Expertin in Sachen Leiden zu halten.
»Ach, kommen Sie schon«, sagte sie und berührte den Jungen leicht an der Schulter. »Sagen Sie mir, wo Sie wohnen, dann bringe ich Sie nach Hause.«
Sie hatte erwartet, dass er antwortete, sie solle machen, dass sie weiterkäme. Aber er sagte nichts dergleichen. Stattdessen nannte der junge Mann ihr seine Adresse. Die kam ihr irgendwiebekannt vor. Wenn sie es recht überlegte, der junge Mann auch.
Sie fragte ihn nach seinem Namen und fügte hinzu: »Wenn Sie wollen, können Sie mir auch erzählen, was Ihr Problem ist. Ich kann richtig gut zuhören.«
Er kaute auf der Unterlippe herum, während er nachdachte. »Ich heiße Dominic Rolfe, und ich glaube, ich habe vielleicht meine Stiefmutter auf dem Gewissen.«
Dreiundzwanzig
In dem Taxi, das Honey herbeigewinkt hatte, um den jungen Mann in ihrer Begleitung nach Hause zu bringen, schüttete ihr Dominic Rolfe sein Herz aus. Honey war ganz Ohr. Es kam ja nicht oft vor, dass ihr jemand gestand, am Tod seiner bösen Stiefmutter schuld zu sein.
Dominic barg den Kopf in den Händen und erzählte ihr alles.
»Ich hatte einen Riesenstreit mit meinem Vater. Ich bin aus dem Restaurant gestürmt, nachdem ich ihn einen Feigling genannt hatte. Er wollte ihr einfach nicht die Stirn bieten. Sie hat es nicht
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