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Mord zur besten Sendezeit

Mord zur besten Sendezeit

Titel: Mord zur besten Sendezeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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meines Lebens verpaßt.
    »Ich glaube, das ist Quatsch«, meinte Buster. »Ehrlich. Als nächstes werden Sie mir noch erzählen, Sie wären eine Hexe und könnten mein Bein wieder nachwachsen lassen.« Buster beobachtete sie genau — vielleicht hoffte er, daß sie jetzt sagen würde, jawohl, sie könne genau das tun, wenn sie nur wollte.
    »Es ist mir scheißegal, ob Sie daran glauben oder nicht«, sagte sie statt dessen. »Aber von all den Leuten, die etwas von Schmerz verstehen, hätte ich gedacht, daß Sie einen etwas weiteren Horizont hätten, trotz des Einflusses Ihres Vaters.« Mrs. Felluti hielt einen Moment inne, um sich gerade auf den Sarg zu setzen. Man konnte mittlerweile die Haut ihres Bauches sehen. Sie war olivenfarben und glatt. Ihre Haare hatten sich aus der Klammer freigekämpft und hingen lang und glänzend über ihre Schultern herab. Als sie noch jünger war, muß sie zum Anbeißen gewesen sein. Nach elf Kindern hätte man immerhin noch ein Knabbern wagen können. »Und Sie werden auch schon bald genug dran glauben, junger Mann. Wenn Ihr Vater die ersten Symptome des Fluches zeigt, mit dem ich ihn belegt habe.«
    »Wenn meinem Vater irgend etwas passiert«, drohte ihr Buster, »dann, dann — dann werde ich Sie mit meinem Rollstuhl überfahren.«
    Mrs. Felluti brach tatsächlich in helles Gelächter aus. »Na, da schlottere ich ja geradezu vor Angst«, sagte sie.
    »Laß das, Buster.« Das war ich. »Er ist nur so unhöflich, weil er innerlich sehr verletzt ist«, erklärte ich und hoffte, daß Mrs. Felluti uns nicht hinauswerfen würde.
    Sie blickte mich fest an und seufzte dann tief auf. Ihr Brustkorb hob sich, aber die restliche Naht hielt immer noch. »Sie sind hergekommen, weil Sie Antworten haben wollen. Ich weiß, daß Sie den Menschen suchen, der meinen Sohn umgebracht hat, auch wenn Sie für diese Sabrinatucke arbeiten. Ich helfe Ihnen, allerdings unter einer Bedingung.«
    »Als da wäre?« Ich konnte ja immer noch einen Rückzieher machen.
    »Sobald der Mörder gefunden ist, sagen Sie mir seinen Namen.« Ich nickte. Daran konnte ich nichts Schlimmes finden.
    Mrs. Felluti fing langsam an. »Ich will Ihnen erklären, wer ich bin — und auch, wer Tony ist«, sagte sie. »Meine Familie ist vor ungefähr hundert Jahren aus Albanien nach Amerika gekommen. Wir haben immer in Brooklyn gewohnt, praktisch hier in der unmittelbaren Nachbarschaft. Das war damals sehr weit weg von der Stadt — Zigeuner wurden in den vornehmeren Vierteln nicht so gern gesehen.«
    »Zigeuner!« rief Buster aus, als hätte sie >Leprakranke< gesagt.
    »Wir haben uns hier niedergelassen. Wir sind jetzt domestizierte Zigeuner.«
    »Das heißt doch nur, daß Sie die Leute beklauen, deren Häuser Sie putzen!« stieß Buster zu.
    Mrs. Fellutis Augen blitzten wütend. Sie flocht ihre Finger ordentlich ineinander. Ich hoffte, sie würde Buster mit einem Höflichkeitsfluch belegen. Statt dessen sagte sie: »Ich gehe davon aus, daß Sie den Rest Ihres Lebens mit einer ähnlichen Art von Vorurteil werden zurechtkommen müssen.« Touché, Mrs. Felluti. »Wenn ich domestiziert sage, dann meine ich, daß wir uns an einem Ort niedergelassen haben. Wir ziehen nicht mehr umher. Ich habe das nie getan, aber ich kenne die Familiengeschichten. Und ich weiß, wie die Beschwörungsformeln lauten. Ich bin ein bißchen durcheinander, was die Sprache angeht, aber die brauche ich ja sowieso nicht. Das ist wie mit Algebra.«
    »Jawoll!« sagte ich. »Genau das habe ich neulich meinem Freund auch gesagt.«
    »Die Hellseherei ist im Grunde eine Art Erbe von meinen Ahnen. Ich habe erst spät im Leben Stimmen gehört und Dinge gesehen, nachdem ich alle meine Kinder bekommen habe. Ich hätte nie gedacht, daß das passieren könnte. Gut, daß ich das allwissende Auge nie weggeworfen habe. Jetzt sehe ich jeden Tag Dinge, nach ein paar Schlucken Jack Daniels. Ich weiß nicht immer, was die Botschaften besagen, aber manchmal will ich das auch gar nicht so genau wissen. Meine Großmutter hat auch das allwissende Auge benutzt. Und deren Großmutter auch. Die Fähigkeit wird von Generation zu Generation weitergegeben, und zwar nur durch die Frauen. Ich verdiene mein Geld damit, daß ich das Auge für Kunden lese. Sind Sie auch daran interessiert?« Buster und ich schüttelten beide den Kopf. »Merken Sie sich die Sache trotzdem. Ich betreue ein paar ganz schön wichtige Leute in der Stadt. Tony hat mir nie geglaubt. Er dachte, ich wäre verrückt geworden.

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