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Mord zur besten Sendezeit

Mord zur besten Sendezeit

Titel: Mord zur besten Sendezeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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Aber wir haben auch nie wirklich darüber gesprochen. Wir haben nur getanzt.«
    Ich verlagerte mein Gewicht auf dem Sarg, auf dem es langsam ungemütlich wurde.
    »Er tanzte jeden Sonntag nachmittag mit mir, anstatt mit den anderen ins Kino zu gehen. Tony tanzte unheimlich gerne die alten Volkstänze. Mein Mann sagte immer, ich solle Tony in Frieden lassen — ihn nach draußen gehen lassen mit den anderen Kindern. Aber Tony wollte gar nicht gehen. Er wollte bei mir bleiben. Nun ist er tot, und ich habe niemanden mehr, mit dem ich tanzen kann.« Ihre Stimme wurde rauh. Ich stellte mir Sandra und Eric vor, die im Club Buff den Tony machten. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie Mrs. Felluti so umherhopste und dabei juchzte.
    »Ich muß hier jetzt raus«, sagte sie und rutschte von dem weißlackierten Sarg herunter. »Sagen Sie den Leuten, sagen Sie, daß mein Kleid gerissen ist, daß ich nach Hause gegangen bin, um mich umzuziehen.« Mit diesen Worten schlich Mrs. Felluti aus dem Hintereingang. Buster und ich beobachteten, wie ihr kompakter, aber wendiger Körper durch die Tür huschte. Ich fühlte mich durcheinander und ein bißchen über den Tisch gezogen. Ich ergriff den Rollstuhl und schob ihn wieder in den Hauptraum hinaus.
    Ich war gerade durch die Tür gekommen, als ich Sherri Tigre sah. Die Sendemieze von Party Girls kniete vor dem Sarg und betete mit flach zusammengepreßten Händen. Ihre Lippen zitterten sehr hübsch. Sie trug einen schwarzen Schleier, der genau bis unter ihre Stupsnase hing. Ihr enges Strickkleid hatte vorne einen gefährlichen Ausschnitt. Wenn es rosa gewesen wäre, hätte sie das Ding gut zum Badeanzug umfunktionieren können. Ich konnte ihre Schuhe von dort aus, wo ich stand, nicht sehen. Der Leichenbestatter hatte sich von seinem Posten neben der Jungfrau Maria dichter an den Sarg heranbewegt. Er stand jetzt neben Tony und hatte seine Augen fest auf Sherris Busen gerichtet.
    Ich rammte Busters Rollstuhl in den Rückwärtsgang. Ich vermute, daß ich ihn dadurch etwas gerüttelt habe. Er beklagte sich jedenfalls sofort: »Hör mal, ich habe schließlich einen Kater.« Unbemerkt glitt ich mit ihm wieder hinter die Tür. Ich ließ sie einen Spalt offen und beobachtete Sherri. Sie machte eine große Show daraus, nicht existente Tränen von ihren Wangen zu wischen. Plötzlich ruckte sie äußerst photogen den Kopf empor, wie Bambis Mutter, wenn ein Zweig im Wald knackt. Instinktiv zuckte ich weiter zurück. Buster sagte: »Halt endlich an! Ich glaube, mir ist schlecht.«
    »Halt den Mund«, flüsterte ich und beobachtete weiter. Ein junger, schwarzgekleideter Mann tippte Sherri auf die Schulter und bat sie, sich zu beeilen. Sie schien durcheinandergebracht zu sein, schenkte ihm aber dennoch ein hübsches Lächeln und stand auf. Ehe sie fortging, lehnte sie sich tief über den Sarg, wobei ihr der
    Schleier wie durch magische Kraft gehalten dicht am Gesicht klebte. Sie spitzte die Lippen, während sie sich vornüber beugte. Ich konnte den eigentlichen Kuß nicht sehen — die Blumenarrangements versperrten mir die Sicht. Aber ausgehend von der Positionierung ihres Kopfes konnte ich sagen, daß sie sein Gesicht geküßt haben mußte. Ich vermutete, daß sie keinen Kuß auf seinen Mund plaziert hatte, aber während ich ihren Kopf beobachtete, brannte sich doch das Bild ihrer Lippen, die seinen toten Mund berührten, in mein Hirn ein. Ich bedachte die libidinösen Auswirkungen der Totenstarre. Es ist in allen fünfzig Staaten Amerikas illegal, Sex mit einer Leiche zu haben. In New York beschert einem der Beischlaf mit einem Toten zwanzig Jahre. Das habe ich bei einer Sendung des Discovery Channel gelernt.
    Sherri kam langsam wieder nach oben. Sie fummelte an Tonys Kleidern herum, richtete sein Revers an der Jacke und rückte noch einmal an seinem Kragen. Ich konnte wieder ihr Gesicht sehen. Sie schnipste mit einem manikürten roten Fingernagel eine runde Träne von ihrer Wimperntusche. Ganz plötzlich blickte sie in meine Richtung, als hätte ich einen fahren lassen. Ich schloß schnell die Tür. Als mein Herz endlich wieder im normalen Rhythmus schlug, war sie schon weg.
    Ich trat die Tür auf und rollte Buster mit hoher Geschwindigkeit wieder in den Raum hinein. Die Versuchung, ihr zu folgen, war sehr stark, aber ich mußte vorher Tony nach Lippenstiftspuren absuchen. Ich parkte an der Marienstatue. Ich vergewisserte mich, ob auch niemand zusah, und steckte dann so diskret wie möglich meine Hand

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