Mord zur besten Sendezeit
trug. Es war klar, daß er in Kürze breiter werden würde, um schließlich aufzuplatzen.
Ich sagte zu Mrs. Felluti: »Schauen Sie mal Ihr Kleid an, gute Frau.«
Sie blickte an sich hinab. Ihre olivenfarbene Gesichtsfarbe wechselte zu einem warmen Aubergineton. Dann eilte Mrs. Felluti mit unglaublicher Geschwindigkeit den Gang hinunter. Ich schob Busters Rollstuhl hinter ihr her und machte so den Weg zum Sarg für die wartenden Trauergäste frei. Tonys Mutter sauste auf die Tür am hinteren Ende des Raumes zu, an der Jungfrau Maria und dem gruseligen Typen vorbei, der neben ihr stand. Mrs. Felluti verschwand durch den Hinterausgang.
Ich warf noch einmal einen kurzen Blick auf Tony, während ich Buster hinter Mrs. Felluti herrollte. Da lag er in weißen Satinkissen und Rosenblättern. Er sah nicht mehr so aus wie in der Sendung. Sein Make-up war teigig und dick. Beim genaueren Hinsehen bemerkte ich einen ganz dünnen Riß entlang seinem Wangenknochen, der von einem Blasen werfenden, gummiartigen Klebstoff gehalten wurde. Der Riß verschwand unter der Perücke, die aus jener fernen Vergangenheit stammte, in der Koteletten noch Mode waren. Vielleicht verbargen die Koteletten auch nur einen weiteren Bruch in der Knochenstruktur.
Tonys Augen waren geschlossen, seine Lippen aber leicht geöffnet, als ob er einen Kuß erwarte. Ich streckte die Hand aus und kniff seine Lippen wieder zu. Tony hatte die Temperatur von halb aufgetautem Fleisch. An meinen Fingerspitzen blieb etwas rosa Puder kleben. Ich spürte, wie ein Grausen meine Wirbelsäule emporkletterte. Der Leichenbestatter trat zu mir vor und fragte, ob es ein Problem gäbe, bei dem er mir behilflich sein könnte.
Ich schob den Rollstuhl auf die hintere Tür zu. Der Leichenbestatter versuchte nicht, mich aufzuhalten. Buster sagte: »Dieser arme, arme Junge. Und seine arme Mutter.«
»Sie mag dich nicht besonders.«
Buster sagte: »Die meisten Menschen mögen mich schließlich doch, nachdem sie den ersten Schock überwunden haben.«
»Den ersten Schock, den ihnen dein eher sarkastischer Humor einjagt?« fragte ich.
»Ich meinte eigentlich mein unglaublich gutes Aussehen«, erwiderte er drollig. Dafür, daß er einer der Mordverdächtigen war, war Buster Singer wirklich ein toller Typ. Meine Kundin, Sabrina, würde es wahrscheinlich nicht besonders mögen, daß ich soviel wertvolle Zeit mit ihrem möglichen Vergewaltiger verbrachte. Ich fühlte mich hin und her gerissen. Meistens halte ich, wie gesagt, eher zu der Frau. Ich beschloß diesmal, mich an Buster zu halten, um mit ihm auf dem laufenden zu bleiben. Sozusagen.
Mrs. Felluti stand ganz still und wie benebelt in einem abgeteilten Raum gleich hinter dem Trauersaal. Es war ein großer offener Raum, ähnlich dem Ausstellungsraum eines Autohändlers. Särge waren in ordentlichen Reihen aufgestellt, und auf ihren Seiten waren die Preisschilder mit genauen Angaben zur Ausstattung aufgeklebt. Die billigeren — ohne Sonderausrüstung — waren schlichte naturbelassene Holzkisten.
Die teureren Modelle hatten Preisschilder, deren Beträge bis zu zehntausend Dollar gingen. Sie verfügten über jasminduftende Seidenkissen, vergoldete Sargträgerstäbe, Elfenbeinintarsien und echten asiatischen Lack als Außenhülle. Für einen Sarg war das Innenfutter aus echten Daunen hergestellt worden. Ich fragte mich, wie viele Gänse hatten sterben müssen, um das Innenleben eines Sarges für einen toten Menschen abzugeben. Ich tätschelte die samtweichen Kissen. Meine Hand verschwand in den weichen Ausbuchtungen. Ich mußte schon zugeben, für einen Sarg sah die ganze Chose gewaltig einladend aus.
Entlang der gegenüberliegenden Wand war eine Ausstellung, bei der man die verschiedenen Stadien des Sargbaus bewundern konnte. Die Plakette an ihrem Anfang lautete: »Vom Wald zur Erde — wir stellen echte Kiefernsärge her.« Ich konnte mir nicht vorstellen, wie irgendjemand, der sich eine Kiste kaufen wollte, wissen wollte, wo die Babysärge herkamen. Dann war es allerdings auch wiederum so, daß ich mich ja noch nie um den Kauf eines Sarges bemüht hatte. Vielleicht war ich einfach zu sehr abgelenkt, um so etwas in Angriff zu nehmen. Ich glaube, ich möchte lieber eingeäschert werden. Und dann lasse ich die Asche über den Times Square streuen. In Anbetracht der Seltenheit, mit der dort gefegt wird, würde ich wohl einige Zeit dort verbleiben.
Mrs. Felluti saß etwas wacklig und unsicher auf einem fleckigen weißen Sarg. Sie
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