Mord zur besten Sendezeit
versuchte, eine Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem gutaussehenden Sohn Buster festzustellen, konnte aber nichts entdecken, was die beiden verband. Sinclair rollte sich schließlich auf den Bauch und stützte sich auf die Hände und Knie. Er bekam einen Fuß auf den Boden gestellt und schob sich unter Zuhilfenahme aller seiner Kräfte aufrecht. Sein geschwollener Kopf wackelte von einer Seite auf die andere. Er stabilisierte ihn mit beiden Händen.
Er betrachtete das Schloß an der Tür und sagte: »Wenn sich jemand an dem Schloß zu schaffen macht, geht ein Alarm bei mir zu Hause an. Es tut mir sehr leid, daß Sie so lange haben warten müssen. Ich hätte an sich jemanden vom Sicherheitsdienst hochgeschickt, aber als ich auf meinem Bildschirm sah, daß Sie das sind, beschloß ich, selber herzukommen.« Sinclair zeigte auf eine Videokamera, die in die Decke eingelassen war. Ich faßte es nicht, daß ich die übersehen hatte.
»Danke, daß Sie gekommen sind«, brachte ich heraus. Sinclair Singer beobachtete mich genauer und stülpte dann seine dicken Lippen zu einem Grinsen hoch.
Er sagte: »Es hat mir großen Spaß gemacht, Ihrem Besuch in meiner Glaskammer zuzusehen.« Er kratzte sich energisch am Hals.
»Ich hoffe, daß ich Sie nicht enttäuscht habe«, sagte ich, wütend darüber, daß meine Gefangennahme ihn derart belustigte.
»Ich habe mich prächtig darüber amüsiert, wie Sie versuchten, sich zu befreien. Ich habe auf meinem Weg hierher weiter zugeschaut.« Er hatte mir zugesehen, wie ich kreischte und weinte und mit meinen Fäusten wie ein Kleinkind auf die Tür eingeschlagen hatte. Ich versank förmlich vor Scham. Innerlich trat ich mich gegen das Schienbein, daß ich die Kamera übersehen hatte. Er lächelte wie sein Sohn; seine Zähne waren ausgesprochen traditionell englischen Zuschnitts. »Ich fand es allerdings nicht so nett, daß Sie eine meiner Zigarren auf dem Teppich ausgetreten haben.«
Ich sagte: »Wenn ich gewußt hätte, daß ich hier auf Sendung bin, dann hätte ich etwas Passenderes an gezogen.«
»Seien Sie nicht albern. Sie sehen sehr hübsch aus.« Ich sah aus wie ein Putzlappen. Immerhin konnte ich noch froh sein, daß die Jeans nicht eng war. »Hier entlang, bitte«, wies er mich an und ging in die Glaskammer zurück. Kein Wunder, daß Ringo Schwartz erwähnt hatte, daß er dort nicht mehr hineinwollte. Ich hielt inne. Er sagte: »Haben Sie etwa vor ein paar hundert kleinen Spinnen Angst? Seien Sie doch nicht albern.«
Ich kann so albern sein, wie ich will, dachte ich, holte aber tief Luft und folgte ihm hinein. Ein Gewicht senkte sich in meine Magengrube hinab, und mein Hals spannte sich an, als ob um ihn eine Zwinge herumgelegt worden wäre. Wenn es sich nur um eine Leiche handeln würde — damit hätte ich noch umgehen können.
Der Raum war im Grunde eine begehbare Museumsvitrine in der Form eines U: drei Wände waren mit einer Glaswand ausgekleidet. In der Mitte gab es einen schmalen Gang. Sinclair stand an dessen Ende, neben einer Schaltkiste aus Metall. Er klopfte rhythmisch an die Glasscheiben. »Hier, kleines Freundchen, hier, kleines Freundchen«, intonierte er. Dieser Mann war verrückt. Was ich mit dieser Information anfangen konnte, würde sich noch herausstellen.
Das Riesen-Terrarium war mit Erde gefüllt. Ein ganzes Netz unterirdischer Tunnel war durch das Glas zu sehen, wie bei einer Ameisenfarm. Einige Tunnel waren größer als andere. In größeren Höhlen hingen von der Wand aus Dreck milchige, ungefähr tennisballgroße Säckchen an glänzenden Seidenfäden. Auf der Oberfläche über dem Tunnel-Netz waren Steine und kleine Bäume, von deren Asten Zwirn hing. Einige Aste drückten sich gegen das Glas, sie strebten zum Licht. Zwischen den Baumstämmen und in den Tunneln kroch Singers tausendfüßige Armee.
»Hier, kleines Freundchen«, fuhr er fort und klopfte an das Glas. »Die Gesamtfläche dieses Terrariums beträgt fast fünf Quadratmeter. Die Luftfeuchtigkeit entspricht ganz genau den Verhältnissen im brasilianischen Regenwald am Amazonas. Dieses System einzurichten hat mich Zweikommadrei Millionen Dollar gekostet, aber das ist es auch wert. Seien Sie nicht so schüchtern — kommen Sie nur näher. Die würden Sie nicht beißen, selbst wenn sie es könnten.«
Ich holte tief Luft. Ich befahl der Anspannung in meinem Hals, sich aufzulösen. Sie tat es nicht. Ich ging mit geschlossenen Augen näher an den Glaskasten. Nach drei Schritten öffnete ich sie
Weitere Kostenlose Bücher