Mord zur besten Sendezeit
Knien, und marschierte direkt hinein. Eine schnelle Durchsuchung von Singers Schreibtisch ergab nichts. Die Schubladen enthielten nichts außer einer Kiste kubanischer Zigarren und Küchenstreichhölzer. Ich sah mich im Büro um. Da waren noch einige andere Türen, die aus dem Zimmer führten. Ich würde mir aussuchen, welche ich als erste aufmachen wollte, während ich eine von Singers Zigarren ausprobierte. So etwas hatte ich noch nie zuvor geraucht. Ich erinnere mich, daß mein Vater mich immer davor gewarnt hatte, Zigarren auf Lunge zu rauchen. Ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn ich es doch täte. Ich biß die Spitze ab und spuckte sie auf den Boden. Ich war so tough wie ein rostiger Nagel in einer dreckigen Pfütze. Ich zündete das Ding an und sog einen Mund voller Rauch ein. Ich ließ ihn über meine Zunge wieder hinausrollen, ohne zu inhalieren. Der Ge-schmack war süß und erinnerte an Holz. Ich könnte mich durchaus an so etwas gewöhnen, dachte ich. Schnell blickte ich nach oben, um zu sehen, ob sich an der Decke etwa Rauchdetektoren befänden.
Mit der Zigarre in der Hand versuchte ich die erste Tür auf der rechten Seite zu öffnen — ein Badezimmer. Die zweite Tür führte mich in einen Schrank. Die dritte war abgeschlossen. Genervt ging ich jetzt schon zum vierten Mal an diesem T ag auf die Knie und machte mich mit den Dietrichen ans Werk. Es war erstaunlich — das Schloß sprang nach weniger als zehn Minuten des Herumfummelns auf. Der Lichtschalter befand sich nicht dort, wo er sich hätte befinden sollen. Ich zog noch einmal heftig an der Zigarre, damit ihre Glut den Raum beleuchtete. Das funktionierte nicht. Ich brauchte ein Streichholz. Ich nahm das Khat aus meiner Handtasche und legte es auf den Boden, um besser wühlen zu können. Ich suchte gerade in meiner Brieftasche nach Notstreichhölzern, als ich das Klicken hörte.
Die Tür hatte sich hinter mir geschlossen. Ich versuchte, die Klinke zu drehen, aber die Tür war von außen verschlossen. Ich war nicht ganz sicher, ob sie von allein zugegangen war oder ob jemand das getan hatte. Ich fragte mich außerdem, ob ich nun aufgeflogen oder gefangengenommen worden war. Ich fummelte mit den Dietrichen am Schloß herum, aber ohne Erfolg. Plötzlich hörte ich das Summen und Zischen von Neonlampen, und kurz darauf flackerten sie auf. Der Raum wurde grell erleuchtet. Ich sah mich um. Und dann wußte ich genau, wo ich mich befand und daß ich auf keinen Fall dort sein wollte. Ich ließ die Zigarre fallen, hieb auf die Tür ein und kreischte wie ein richtiges Mädchen.
Schreckliche Viecher
Ich schlug auf die Tür ein, bis meine Fäuste angeschwollen und blau waren. Von dem vielen Schreien wurde ich langsam heiser. Meine Karmareserven mußten wohl aufgebraucht sein. Ich versuchte es mit Zen — also mir klarzumachen, daß ich zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft diesen Ort verlassen würde. Ich bin schon in der Vergangenheit Anfällen von Klaustrophobie erlegen, in der Regel während langer Autofahrten mit Menschen, die ich nicht mag. Aber dazu noch dieser gräßliche Anblick — alle diese sich windenden, nervös hin- und hersausenden Arachniden ekelten mich unglaublich an. Ich kreischte »Hilfe« zum Steinerweichen und fühlte mich, ohne daß ich das verhindern konnte, an diese Szene in »Die Fliege« erinnert.
Klick. Die Tür ging plötzlich auf. Ich hatte mich dagegen gelehnt und fiel nun nach vorne gegen die Brust eines Mannes. Dadurch landeten wir beide auf dem Boden von Singers Büro. In letzter Zeit verbrachte ich eindeutig zuviel von meiner Zeit auf dem Boden. Ich schaffte es, mich von meinem Gegenüber zu lösen und mit katzengleicher Grazie und Geschicklichkeit auf die Beine zu kommen. Auf dem Boden befand sich mein Retter.
Sinclair Singers Kopf war auf die Größe eines Medizinballes angeschwollen. Ich konnte ihn kaum erkennen. Seine Haare sahen aus wie die dünnen wirren Strähnen auf dem Kopf einer alten Lumpenpuppe. Sein Hals war von einem Ausschlag und Kratzstellen bedeckt. Ich erinnerte mich an Mrs. Fellutis Fluch. Offenbar mußte man Singer aufhelfen. Ich reichte ihm meine Hand, die er aber verweigerte. Ich lehnte mich also an die Wand und beobachtete den sechzigjährigen Briten dabei, wie er sich auf dem Teppich abmühte. Er hatte am heutigen Sonntag sein Korsett nicht angezogen, und sein Bauch rollte von einer Seite zur anderen, während er einen harten Kampf mit der grausamen Schwerkraft ausfocht. Ich
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