Mord zur besten Sendezeit
und zwang mich, hinzusehen. Hunderte von Taranteln wimmelten in der Erde und unter ihr, manche groß und manche klein. Sie krabbelten und fielen übereinander, wobei ihre Greifer auf und zu gingen und ihre Beine zuckten. Ich folgte einer Spinne mit den Augen, die ein Stück auf einem dicken Bindfaden entlangkrabbelte. Sie hielt plötzlich inne, um dann durch die Luft zu fliegen und genau mir gegenüber gegen das Glas zu knallen. Mein Herz übersprang zwei Schläge.
»Er mag Sie«, ließ Singer mich wissen, wobei er sich abwesend am Hals kratzte. Ich hatte beinahe schon vergessen, daß er da war. »Wissen Sie, die können hier nicht heraus. Diese Terrarien sind ganz fest. Mit mir sind Sie hier ganz sicher.« Genau. Ich sah in seine leicht feuchten Augen. Ich spürte ein merkwürdiges Verlangen, meinen Kopf in seiner Schulter zu vergraben und ihm zu sagen, daß ich Angst hätte. Aber Wanda Mallory lacht im Angesicht von Angst und Gefahr, und damit war diese Option außer Frage.
»Schauen Sie mal«, flüsterte er ekstatisch. Seine Hand schwebte über einem Knopf am Schalterkasten. »Sind Sie bereit?« Er warf den Schalter mit Schwung herum. Plötzlich überfluteten Hunderte von kleinen Insekten die Tarantelfarm. Manche sahen wie Fliegen aus, andere wie Küchenschaben oder Wasserflöhe. Stadtkäfer. Sie sausten hin und her auf der Suche nach einer Lücke in der Wand, einem Loch im Boden. Irgendwo, wohin sie hätten fliehen können. Wie auf ein Signal kamen die im Untergrund lebenden Taranteln aus den Tunneln und Höhlen hochgeeilt. Ich beobachtete eine, die an der Schwelle ihrer Höhle innehielt. Als eine riesige Wasserwanze vorbeikam, schoß sie hinaus ins Freie, griff mit den Fangzähnen nach ihrem Opfer und zog sich wieder in ihr unterirdisches Nest zurück. Dort angekommen, kaute und knabberte sie an der schwarzen harten Schale, wodurch zum Schluß das Viech zerfleischt, ausgehöhlt und ausgesprochen tot liegenblieb.
Eigentlich hege ich keine besondere Zuneigung für Wasserwanzen, aber dieses Schauspiel ließ mich tatsächlich für ihr Schicksal Mitleid empfinden. Die Küchenschaben, schneller auf den Beinen als die Wasserwanzen, kamen besser gegen ihre brasilianischen Feinde an. Aber eine nach der anderen wurden auch sie gefangengenommen und auf das brutalste geschlachtet. Hier hatte ich als echte New Yorkerin allerdings schon eher Mühe, Mitleid für sie zu empfinden.
Mr. Singer war von seinen >Freundchen< ganz beeindruckt — oder war es das von ihnen veranstaltete Gemetzel, das ihn so faszinierte? Ich nahm mir jedenfalls vor, in Zukunft Fleisch zu essen, das in der Nahrungskette niedriger angesiedelt ist — wer wußte schon, ob Schweine nicht doch auch Taranteln aßen, die Küchenschaben verzehrten... Um mich zu trösten und zu beruhigen, steckte ich die Hand in meine Handtasche und streichelte Mama. Ich konnte wohl mit einiger Sicherheit annehmen, daß derjenige, der die Spinnen an Sabrina geschickt hatte, sie hier aus diesem Zimmer herausgeholt hatte. Es waren zu viele da, als daß irgend jemand, inklusive Singer, hätte merken können, ob eine fehlte.
»Ich gehe davon aus, daß Sie kein Vegetarier sind«, sagte ich.
»Wissen Sie, was ich an meinen Spinnen am meisten mag?« fragte er mich, vor Faszination über dieses Blutbad wie gelähmt. »Sie reden nicht.«
»Haben Sie denen jemals ein Beinchen nach dem anderen ausgerissen?« fragte ich.
Damit hatte ich seine Aufmerksamkeit erregt. Ich suchte nach Schuld in seinen Augen, fand aber nichts als Ekel vor. »Seien Sie nicht albern«, sagte er.
Ich entschuldigte mich, ich müsse zum Klo. Auf dem Weg hinaus nahm ich meine Handtasche und meinen Mantel. Kaum war ich aus der Glaskammer heraus, löste sich die Anspannung in meinem Hals auf wie ein Schraubverschluß, der von einer Flasche wirbelt. Ich legte auf einem der Sofas in Singers Büro meine Beine hoch und schloß die Augen, um mich etwas zu erholen.
Ich fragte mich, ob ich wohl Singer wegen der Tarantel-Lieferungen weiter ausfragen sollte oder ob ich die gespeicherten Überwachungsfilme verlangen sollte. Wenn er all diejenigen, die diesen Raum betreten hatten, sofort erkannte, dann war derjenige, der dort die Taranteln geklaut hatte, jemand aus seiner näheren Umgebung, dem er die Tat verziehen hatte.
Singer kam schließlich zu mir in sein Büro. Er schloß die Tür zur Spinnenfarm und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Er fand die Zigarren in der obersten Schublade und bot mir eine an. Ich
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