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Mord

Mord

Titel: Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ludwig Kröber
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wollte.
    Es herrschte halt damals diese Aufbruchsstimmung im Strafvollzug. Aber sie war anders als die anderen, als diese linke Schickeria, die mit dem Porsche zum Café Einstein fuhr und die Mauern des Knasts einreißen wollte. Auch in der Anstalt machte sich eine Aufbruchsstimmung bemerkbar. Auch in der 3 E ging es voran. Es gab ein großes Interesse bestimmter Schichten draußen, einen Wandel einzuführen. Haus IV wurde aufgemacht, die Sozialtherapie eingeführt. Damals herrschten ja zum Teil noch Zuchthausstrukturen. Vor diesem Hintergrund habe er sich in Reni Schuster verknallt. Und das sei voll danebengegangen.
     
    Es kam der erste mehrtägige Hafturlaub, im Juni 1978 , von Montag 11  Uhr bis Freitag 11  Uhr. Am ersten Tag besuchte er seine Schwester und das Grab seiner Mutter. Er führte sich normal in den Tagesablauf der WG ein, kochte sogar, als er mit den Kindern einmal allein war, weil Reni sich verspätet hatte. Ein einziges Mal habe er mit Reni geschlafen, behauptete er, das war am zweiten Tag. Sie bestritt das, er könne das verstehen, sagte er, es sei ja auch nicht so wichtig. Sie waren im Kino gewesen, in der Spätvorstellung, anschließend noch in einer Kneipe. Ein herrlicher Sommertag, an dem sie sehr spät nach Hause kamen. Sie nahm ihn mit in ihr Zimmer, das sehr geschmackvoll war, und es roch angenehm. Sie hatte ziemlich viel getrunken, und es sei sehr schnell gegangen, er sei natürlich viel zu früh gekommen. Wie es für sie war, wisse er nicht. Er sei eingepennt. Als er morgens wach wurde, war sie schon nicht mehr da. Danach ging sie auf Distanz zu ihm, was er nun gar nicht begreifen konnte. Er hatte das Gefühl, sie war auf einmal ein fremder Mensch. Ihr selber war das wohl unangenehm, dass sie zu viel getrunken hatte.
    Mit dem Sohn hatte er keine Probleme. Gleich am ersten Tag des Besuches hatte Tom beim Essen gesagt: «Jetzt geht Fritz mit Reni ins Bett.» Das war ganz naiv gemeint gewesen, aber den beiden fiel fast das Essen aus dem Gesicht. Reni saß da wie vom Schlag gerührt, und ihm war das in der Situation natürlich auch unangenehm. Der Tom hat immer «Reni» zu seiner Mutter gesagt, nicht «Mama» oder so.
    Ein Betriebswirtschaftler unter den Betreuern hatte ihm das Angebot gemacht, er solle doch den Refa-Schein machen, das war damals so eine Ausbildung zum Arbeitskontrolleur, er habe Arbeit für ihn. Also fuhr Fritz am dritten Urlaubstag raus zum Brunsbütteler Damm und stellte sich dort vor. Auf dem Rückweg wurde er am Spandauer Damm Zeuge, wie ein englischer Caterpillar ein kleines Mädchen von sieben oder acht Jahren anfuhr. Das war wie ein Schlag mit dem Hammer, ihm war kotzelend geworden. Er hatte beiläufig gesehen, wie sich das anbahnte, aber in dem Moment glaubt man es ja nicht, man traut seinen Augen nicht, und dann begreift man, dass da eine Katastrophe passiert ist. Er hatte sich hingesetzt, konnte nicht weiter. Er grübelte, über Renate und die Kinder, habe die Beziehung schlagartig abbrechen wollen. Er konnte auch nicht sagen, warum, die alte Sache war wieder da. Die Polizei hielt ihn als Zeugen fest und sah sich seinen Urlaubsschein vom Knast an. Als er wieder in der WG war, merkte Renate Schuster, wie niedergeschlagen er war. Sie fragte, ob er nicht mit raus wolle, in den Garten, aber er hat nein gesagt.
    Er wartete, bis er allein war. Und dann? «Ich hab die Kriegskasse genommen von denen und bin drei Tage weg gewesen. Da ist dann die Geschichte mit der Frau Petri passiert, so hieß die wohl. Im Schlosspark Charlottenburg. Ich bin danach wieder in die Anstalt gegangen, den Hafturlaub hatte ich ja schon überzogen gehabt. Dann schellte das Telefon, Reni war dran: Sie kommt rein, besucht mich. Da ist sie hier angekommen, ohne Vorwürfe, ohne alles. Ich habe zu dem Zeitpunkt gedacht, das Ganze wäre erledigt, weil ich die beklaut habe, aber da ist die wieder angekommen, wollte mir weiterhelfen, wie auch immer. Ich bin da von einem Loch ins andere gefallen.»
     
    Die Frau hieß nicht Petri, sondern Peters, war 24  Jahre, schön, sportlich, fast einen Kopf größer als Fritz und ihm völlig unbekannt. Sie war an diesem Junitag um 7  Uhr  45 im Charlottenburger Schlosspark unterwegs zu ihrem Ausbildungsplatz als Krankengymnastin. Wolkow hatte hier im Grün auf einer Bank nahe der S-Bahn-Brücke über die Spree seinen Rausch ausgeschlafen. Als die junge Frau vorbeikam, ergriff er sie völlig überraschend am Oberarm und sagte: «Ich will mit dir ins Bett.» Er

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