Mord
versuchte sie zu Boden zu bringen, hatte ein feststehendes Messer in der Hand, das er ihr tief in den Unterleib stieß. Die junge Frau wehrte sich, trat Wolkow ihrerseits kräftig in den Unterleib, der stürzte, stand auf und lief weg. Sie konnte sich nach Hause schleppen. Von dort wurde sie ins Krankenhaus gebracht und durch eine sofortige Operation gerettet.
Fritz Wolkow kehrte am selben Tag in die JVA Tegel zurück und schaute abends ein Vorrundenspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball- WM in Argentinien. Vorher war er noch im Europa-Center ganz nach oben gefahren. Er wollte sich, erzählte er später, da runterstürzen. Es waren aber zu viele Leute dort oben, es ging nicht. Daher fuhr er wieder runter mit dem Lift und nach Tegel. Den Hafturlaub hatte er ohnehin überzogen, er bekam ein ganzes Jahr Urlaubssperre.
Frau Peters machte bei der Polizei ein exzellentes Phantombild von dem Täter, das in allen Berliner Zeitungen erschien. Schließlich muss der Westberliner sicher durch den Charlottenburger Schlosspark gehen können. Offenbar erkannten aber nur zwei Personen den Mann auf dem Phantombild, nämlich Wolkow selbst und Renate Schuster.
Wolkow sagte, es sei nie darüber gesprochen worden. «Sie hat das aber gewusst, dass ich das war. Sie hat ja zwei und zwei zusammenzählen können. Ich gehe davon aus. Ich habe oft das Gefühl, dass sie Angst hatte. Es hat so viele unmögliche Situationen gegeben. Sie war ja auch der erste Mensch, der für mich was getan hat, ohne was zu wollen. Ich habe gedacht, sie macht das wegen mir. Und sie ist so blauäugig gewesen. Sie hätte das merken, sie hätte das abstoppen müssen. Also vor der Haftentlassung, da war ich mir noch nicht sicher, dass sie von der Tat im Schlosspark wusste. Aber nach der Entlassung zunehmend mehr. Ich konnte es nicht deuten, aber auf einmal war eine riesige Mauer zwischen uns.»
Die Tat gegen Frau Peters blieb unaufgeklärt. Wolkow, der immer noch seine fünfjährige Strafe wegen Diebstahls verbüßte, ging es im letzten Haftjahr nicht gut. In den Gesprächen mit Reni jammerte er, dass all sein Unglück aus ihrer Zurückweisung käme. Er machte einen Suizidversuch, indem er sich die Pulsadern aufschnitt und anschließend selbst die Wunden zügig mit Heftklammern versorgte. Frau Schuster versuchte die Beziehung auf Distanz zu halten, ohne sie zu beenden.
Im Juli 1979 erhielt Wolkow wieder Hafturlaub, den er wieder in Kreuzberg verbringen durfte. Die Wohngemeinschaft nahm ihn auf, Reni Schuster beschränkte die Kontakte aber auf das Nötigste. Drei Monate später wurde er entlassen und wohnte zunächst noch vier Tage in der WG . Dann bezog er eine möblierte Wohnung im Wedding und konnte bei einer Firma für Installationstechnik als Heizungsableser anfangen. Er war dennoch unzufrieden, unausgeglichen, suchte weiter Kontakt zu Renis WG und hoffte dort engere Freundschaften zu finden. Die Mitbewohner aber hatten seine Betreuung als einen begrenzten Auftrag verstanden, der mit seiner Entlassung erfüllt war. Bei aller Liebe und allem Engagement: Er passte halt doch nicht zu ihnen.
Wolkow beging nach der Entlassung prompt drei Einbrüche, die unentdeckt blieben. In der Nähe der JVA in Düppel brach er in eine Gaststätte ein – die Tür hatte er mit dem Glasschneider ausgeschnitten, 1400 DM Bargeld aus der Kasse erbeutet und aus einem frei stehenden Spielautomaten. Als Nächstes brach er in ein Lokal mit Kegelbahn in Alt-Tempelhof ein und erbeutete 2400 DM aus mehreren Automaten und einer Musikbox. Drei Wochen später stieg er noch mal in das gleiche Lokal ein, diesmal machte er 1200 DM Beute. Geldnot hatte er nicht. Und kleingekriegt hatte man ihn auch nicht.
Aber er war nicht in Ordnung. Nach der Haftentlassung habe er ja auch ganz massiv Alkohol getrunken, er müsse es ehrlich sagen, zwei Flaschen Schnaps habe er trinken können. Seinen 39 . Geburtstag im Januar 1980 feierte er mit sich allein im Manifesto, wo er früher mit den Leuten von der Uni gegessen und deren klugen Gesprächen zugehört hatte. Er überlegte, Reni alles zu sagen, wie sein Leben verlaufen ist. Aber er sagte sich: Nee, das hält die nicht aus. Er schlief kaum noch und konnte später auch gar nicht mehr arbeiten. Er glaubte, das kam alles wegen der Sache mit Reni, weil sie nicht richtig miteinander reden konnten.
Im Januar 1980 wurde in Karlsruhe die Partei «Die Grünen» gegründet. Die UN -Vollversammlung verlangte den Abzug der Russen aus
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