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Mord

Mord

Titel: Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ludwig Kröber
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Sechs Zentimeter tief in der Scheide steckte eine zwanzig Zentimeter lange Mettwurst. Bei der Untersuchung der Frau entdeckten die Rechtsmediziner an der Brust eine schwache Spur, als habe jemand hineingebissen.
    Da außer dem Kind niemand anderes in der Wohnung gewesen war und keine Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen von außen vorlagen, wurde Gerwin Moss noch am Tatort festgenommen. Sicherheitshalber entnahm man eine Blutprobe, er war aber nüchtern. Bevor man mit ihm fortfuhr, bekam Moss noch mit, dass man unter dem Bett zwei Kleinbildfilme gefunden hatte und dass den Polizisten im Flur an der Wand ein Einschussloch aufgefallen war, das von der Kugel herrührte, die sein Bein getroffen hatte. Die Ärzte stellten bei ihm einen glatten Durchschuss des linken Oberschenkels fest, ohne dass der Knochen oder ein größeres Gefäß verletzt worden wäre; an der Wunde fanden sich keine Bleiabstreifungen und keine Schmauchpartikel. Der Schuss musste ihn also aus gewisser Distanz getroffen haben – oder er hatte etwas zwischen Waffe und Bein gehalten, was die Kugel sozusagen gesäubert hatte.
    Gerwin Moss verbrachte die nächsten Tage in Untersuchungshaft in der Erwartung, dass sich anhand der Indizien, die auf einen perversen Fremdtäter hindeuteten, seine Unschuld erweisen würde. Zwei Filme, aber in der ganzen Wohnung keine dazu passende Kamera, seine eigene benötigte ein Rollfilmformat. Ebenso fand sich nirgends die Tatwaffe; der Täter musste mit seiner Waffe und der verwendeten Kamera geflüchtet sein, hatte vorher wohl die Filmrollen versehentlich verloren.
    Die Filme, die unter dem Bett gelegen hatten, wurden entwickelt. Der eine war leer, ganz unbelichtet. Auf dem anderen fanden sich acht Fotos: der mit dem Nachthemd bekleidete Körper der Frau. Dann der entkleidete Körper mit gespreizten Beinen. Dann die mit Tannenzweigen versehene Leiche, auf der Stirn des Opfers brannte auf einem quadratischen Pappsockel eine weiße Haushaltskerze. Dann die Scheide. Dann die Scheide mit einem eingeführten Gegenstand, schwer zu sagen, was es war, ein Penis oder die Mettwurst. Dann als sechstes Foto die nackte rechte Brust mit Bissspuren. Das siebte Foto zeigte die behaarte rechte Achselhöhle, das achte Foto war nicht belichtet. Die Bissspuren, das wusste Moss, waren nicht seine. Es waren die Spuren eines Metallgebisses, das er selbst hinter der Rigipswand sorgsam gebaut und in seiner Werkstatt-Esse schon wieder eingeschmolzen hatte. Er wartete auf den zahnmedizinischen Sachverständigen, der ihm, wie er ahnte, einen Gebissabdruck abnehmen würde.
     
    Derweil wurde Gerwin Moss weiter vernommen, auch zur Person. Er blieb zurückhaltend, es wäre mehr zu sagen gewesen. Seine Mutter – worüber hätte man sonst berichten sollen, als es um die ersten zwanzig Lebensjahre ging –, seine Mutter Lotte Moss, geborene Stettner, war, wie sie es stets ausdrückte, Akademische Malerin, das hatte sie studiert. Sie hatte Jahre vor dem Krieg in Rostock den charmanten englischen Geschäftsmann Francis Moss kennengelernt, der deutlich älter war als sie. Sie ging mit ihm nach England und heiratete mit 23  Jahren, im gleichen Jahr wurde auch ihr erster Sohn Thomas geboren, der wie sie die britische Staatsangehörigkeit erhielt. Leider verlief die Ehe unglücklich, es hieß, dass der charmante Francis, anders als sie, im Jahr nach der Hochzeit an Syphilis erkrankte, worauf Lotte Moss in ihrer Bereitschaft zu klaren Entschlüssen zu ihren Eltern nach Deutschland zurückkehrte und ihren Mann nie wiedersah. Die ganze Beziehung hatte von Anfang bis Ende nur zwei Jahre gedauert. Dann studierte sie Malerei.
    Acht Jahre nach seinem Halbbruder wurde Gerwin Moss geboren, die Mutter war noch nicht geschieden. Juristisch war er der Spross eines britischen Ehepaars und somit Bürger des Vereinigten Königreichs, wenn auch mitten im Dritten Reich zur Welt gekommen. Medizinisch war die Geburt ebenfalls kompliziert verlaufen, die Schwangere hatte einen Bluthochdruck entwickelt, das Kind wurde nach einem Eklampsie-Anfall im 8 . Monat per Kaiserschnitt geholt und wog 2250  Gramm. Ein Arzt hatte Lotte Moss zu dieser erneuten Schwangerschaft geraten: Das könne ihrer Gesundheit förderlich sein. Sie berichtete später, sie habe sich das überlegt, und ihre Wahl sei auf einen Deutschen gefallen, einen damals bekannten deutschen Volksmusiker, der vor allem gesund war und aus einer gediegenen Bauernfamilie stammte. Der Name, den sie dem Kind gab,

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