Mord
Das war letztes Jahr, und Gerwin unterbrach so lange die Arbeit in seiner Bastelecke, obwohl er gerade jetzt ungeniert hätte feilen können. Danach hatten sie sich auch um ein besseres sexuelles Verhältnis bemüht, zusammen Sexualhilfebücher gelesen und einzelne Kapitel besprochen. Auf seinen Wunsch hatte sie auf eine Dauerwelle verzichtet und auch die Haare ihrer Achselhöhlen nicht mehr rasiert, er fand das besser, natürlicher.
So gingen die Monate dahin, bis alles bestens vorbereitet war. Allerdings, jetzt war sie wieder schwanger. Er wusste das, aber es änderte nichts mehr. Im Gegenteil, noch ein Kind, dem wäre sie ja nicht gewachsen. Er plante die Erlösung von ihren Leiden. Aber er war nun etwas unter Zeitdruck, zumal er für die Firma in Kürze für einige Wochen ins Ausland sollte. Er führte alles plangemäß aus, blieb auch exakt in der vorgesehenen Zeit, die Nerven spielten ihm keinen Streich, man kann nicht sagen, dass etwas missglückte.
An einem 29 . Februar rief Gerwin Moss um 4 Uhr 30 beim Ehepaar Lehmann an, das im Erdgeschoss wohnte, und sagte, dass etwas mit seiner Frau wäre, ob sie mal hochkommen und sich um seinen Sohn kümmern könnten. Dann verständigte er über Notruf die Polizei, seiner Frau sei etwas passiert, und er selbst sei auch verletzt. Als er Nachbarn und Polizei im Wohnzimmer in Empfang nahm, erklärte er, Torsten müsse versorgt werden. Später rief er: «Der Schuft, der gemeine Schuft!» Und: «Das Schwein hat meine Frau umgebracht!» Irgendwie war es merkwürdig, er kam im Sessel sitzend nicht richtig in Fahrt, auch als er schließlich, die Leiche war gefunden, ein Krankenwagen eingetroffen, erregt und vergebens verlangte, ins Schlafzimmer gelassen zu werden. Von seiner eigenen Verletzung am Oberschenkel, die bereits einen kleinen Blutfleck im Sessel hinterlassen hatte, sagte er nichts. Immer wieder kam er auf Torsten zu sprechen, man solle ihn nicht aufwecken.
Den Polizeibeamten erzählte er, er hätte am Morgen einen auswärtigen Termin in Wiesbaden, deswegen habe er sich am Abend im Wohnzimmer schlafen gelegt, um durch sein frühes Aufstehen die Frau nicht zu wecken. Ein uniformierter Polizist unterbrach ihn: «Sie bluten ja!» Moss wiegelte ab, es sei nicht schlimm. Der Arzt, der mit dem Krankenwagen gekommen war, schaute nach ihm, ließ dann aber auf Bitten der Polizei die Wunde unangetastet, zur genaueren Untersuchung durch Rechtsmedizin und Kriminaltechnik.
Moss konnte weiter berichten: Er sei um 4 Uhr aufgestanden, um auszutreten. Gerade, als er aus dem Wohnzimmer in den Flur gekommen sei, habe er einen Schlag ans Bein erhalten. Er habe aber niemanden gesehen und nichts gehört. Er fasste sich ans Bein, es war feucht, er spürte, dass er blutete. Um sich etwas zum Verbinden zu holen, sei er ins Schlafzimmer gegangen. «Im Zimmer meiner Frau brannte Licht. Meine Frau sah furchtbar aus. Komische Zweige lagen auf ihr. Der Kerl, der gemeine, hat das getan.» Der Polizist fragte: «Welcher Kerl?» – «Ich weiß nicht, ich habe keinen gesehen, es war ja dunkel», sagte Moss. Er wisse auch nicht, wie jemand ins Haus und in die Wohnung gekommen sein könne. Aber er habe vor zwei oder drei Tagen seinen Hausschlüssel verloren. «Ich weiß nicht, was mit meiner Frau geschehen ist. Als ich in ihr Zimmer kam und sie so sah, wurde mir schlecht. Ich bin rausgelaufen und hab angerufen.»
Der Polizei bot sich im Schlafzimmer tatsächlich ein eigenartiges Bild. Petra Moss, 31 Jahre alt, lag mit kurzem Nachthemd im ehelichen Doppelbett und hatte in ihren Ohren ohropaxähnliche Tampons. Sie war mit einem aufgesetzten Nahschuss in den Hinterkopf getötet worden. Das Geschoss hatte den Schädelknochen durchschlagen und war in der weichen Hirnmasse stecken geblieben. Der Schuss müsse, so sagten später die Experten, zur sofortigen Bewusstlosigkeit und binnen 30 Minuten zum Tod geführt haben. Unter Kopf und Oberkörper hatte sich im Laken eine größere Blutlache gebildet. Jemand hatte ihr das Nachthemd teils aufgerissen, teils aufgeschnitten. An ihrem Körper waren mit Buntkopfstecknadeln acht Tannenzweige befestigt, je einer rechts und links an den Schultern und an den Unterschenkeln und zweimal zwei am Bauch. Unter und neben ihrem Kopf lagen weitere Zweige. Um die Hand- und Fußgelenke waren grüne Stoffstreifen gebunden, die offensichtlich aus dem Vorhang des Schlafzimmerfensters geschnitten waren. Der Unterkörper der Frau war nackt, die Beine gespreizt.
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