Mord
eher selten zusammen los, Franz war mehr mit seinen Freunden unterwegs. Ab und zu aber musste er sich um Jan Peter kümmern, der brauchte samstagabends nur eine halbe Stunde im Ort zu sein, und schon machte er Probleme.
Jan Peter zog gern herum mit dem dicken Willy, und beide, ehrlich gesagt, waren gefürchtet. Jan Peter hatte auch die Sonderschule besucht. Im ersten Lehrjahr als Teilfacharbeiter hatte er nur 30 Tage gearbeitet, die Lehre dann geschmissen; seit neuestem hatte er wieder Arbeit. Kaum war er 14 , wurde er wegen Körperverletzung zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Auch danach gab es viele Hauereien, die nicht angezeigt wurden. Vor wenigen Monaten war er nun 16 geworden, und am 1 . Mai 1981 , dem heiligen 1 . Mai, drang er nachmittags um vier betrunken mit Willy in eine Kinovorstellung für Kinder ein. Sie traten lautstark gegen die Rückseiten der Sitze, rauchten und fläzten sich, Bierflaschen in der Hand, in ihre Sessel, kommentierten lautstark den Film und machten sich lustig. Als ein Rentner kam, der die Veranstaltung betreute, und sie zum Verlassen des Kinos aufforderte, fasste Jan Peter ihn mit beiden Händen am Kragen seines Hemdes, schüttelte ihn und stieß ihn zu Boden, das Hemd zerriss. Der Mann rappelte sich auf und wurde von Jan Peter mit einem Schlag gleich wieder zu Boden gestreckt, das machte ihm Spaß, dass der gleich wieder unten lag.
Am nächsten Tag, einem Sonnabend, lauerten Jan Peter und Willy einem Brüderpaar auf, mit dem sie sich bisher noch nicht geschlagen hatten. Sie forderten einen der beiden auf, mal herzukommen, schlugen ihm mit der Faust ins Gesicht, dass er zu Boden ging, und traten zu. Dem anderen, der weitergegangen war, eilten sie nach und fragten, ob er mal seinen Bruder sehen wolle. Der schaute erstaunt, bekam aber darauf auch sofort einen Schlag ins Gesicht und stürzte ins Gestrüpp.
In der gleichen Nacht noch schlitzten Jan Peter und Willy an dem Moped des Abschnittsbevollmächtigten, also des Dorfpolizisten, die Sitzbank auf, um an Werkzeug zu kommen, brachen die Sicherung auf und setzten das Moped mit einem Schraubenzieher in Gang. Sie fuhren zu zweit los, mal der eine, mal der andere auf dem Rücksitz. An einer Bushaltestelle lösten sie den Benzinschlauch und entzündeten ein Streichholz. Das Moped stand sofort in Flammen und brannte aus.
Am nächsten Tag gingen Jan Peter und Willy abends zur sonntäglich ruhigen LPG und schafften es, einen Traktor vom Typ Belarus zu starten und vom Gelände des Stützpunkts zu fahren. Jan bediente das Lenkrad, Willy Kupplung und Gaspedal. Sie fuhren Richtung Straßensee und stießen an alles, was sich ihnen in den Weg stellte, Bäume, Pfosten, Schilder, ein Baum wurde komplett niedergewalzt, vom Belarus wurden Schutzbleche abgerissen, und er sammelte Beulen. Es machte beiden viel Spaß. An einer Sandkuhle ließen sie den Traktor stehen, drangen in das Gebäude eines Kinderferienlagers ein und übernachteten dort.
Franz Bardelow hatte von alldem nicht mal die Hälfte mitbekommen; solange es ihn nichts anging, ging es ihn nichts an. Die Bürger von Lassan bekamen es mit, aber einzeln konnte man sich nicht wehren, nur ducken.
Sechs Tage später kam dieser Sonnabend im Mai 1981 . Traumhaft schönes Wetter über dem Land und über dem Strom, flache weiße Wolken am tiefblauen Himmel, und die Sonne ging schon ziemlich spät unter. Vormittags war Franz bei der Schwester, sie hatte Kohlen bekommen, die hatte man vor dem Haus abgekippt, und er hat sie mit ihr hinters Haus in den Schuppen getragen. Bei der Schwester bekam er auch Mittag, danach ging es weiter bis in den Nachmittag, dann gab es zum Lohn das erste Bier und Schnaps. Abends ging er zur «Anlage», zehn Minuten vom Haus der Familie Bardelow entfernt, eine einfache Parkanlage mit hohen Bäumen am Ortsrand, die bis zum hundertjährigen Schützenhaus reichte, in dem eine Gaststätte jedermann offen stand. Da konnte man auch draußen sitzen und reden und schweigen und trinken. Da traf er seine Kumpels und seinen Bruder Gerd, der von Montage zurück war. Es war noch hell, die Luft war mild, man saß in der Gaststätte und quatschte, und sie hatten Flaschen mit Bier. Wo Jan Peter steckte, wusste er nicht, musste ihn auch nicht interessieren. Solang man nichts von ihm hörte, war es gut.
Dann hörte er von ihm. Zwischen neun und zehn Uhr abends kam Willy angelaufen: «Die hauen Jan Peter, zu zweit!» Gerd hatte sich bis dahin etwas gelangweilt und sagte: «Komm,
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