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Mord

Mord

Titel: Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ludwig Kröber
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neue Berufserfahrung für Franz: Wiesen trockenlegen, neue Gräben ziehen, Abwässerarbeiten, Straßenbau, Maurerarbeiten. Die Arbeit hatte er sich selber gesucht. Was einem Haftentlassenen von der Abteilung Inneres zugeteilt wurde, wollte er nicht; er war sich sicher, dass das nur der Mist ist, den keiner machen will. Sowieso hatte der Staat ihm alle möglichen Auflagen gemacht, unsinnige Schikanen, wie er fand, zum Beispiel Hauptstadtverbot, er durfte nicht mal die Schwester in Berlin besuchen. Er war gern nach Teterow zum Bergrennen gefahren, da durfte er nun nicht mehr hin. Dreimal die Woche musste er sich bei der Polizei melden.
     
    Ende der siebziger Jahre schluckte sein Vater Gift, ein Pflanzenschutzmittel. Franz bekam das gar nicht so genau mit, weil er gerade wieder in Haft gekommen war und die Mutter keine Zeit hatte, ihn zu besuchen. Der Vater hatte Magenkrebs, das wusste der schon länger, und zum Schluss war er ganz mager geworden. Er hatte sich wohl wegen der Schmerzen das Leben genommen, aber bei Franz kam kein Mitleid auf, als er davon hörte, sein Gesicht blieb hart. Dem Offizier im Strafvollzug, der ihm die Botschaft überbrachte, sagte er nur: «Er hat nichts getaugt. Ich hab mit 14  Jahren schon mehr verdient als der Vater. Und zu der Zeit hat der mich noch verdroschen. Das Einzige, was ich von meinem Vater gekriegt habe, jahrelang, waren Schläge.»
    Nach vier Jahren in Freiheit war Franz wieder eingesperrt worden, wegen Körperverletzung und Einbruch, saß nicht ganz drei Jahre. 1980 kurz vor Weihnachten gab es mal wieder eine Amnestie, und er kam raus, er war jetzt Mitte  20 . Nach Lassan wollte er nicht mehr zurück, aber man ließ ihm keine Wahl. Er bekam ein baufälliges Zimmer unterm Dach, ohne Wasser, ohne Kochgelegenheit, nicht mal ein vernünftiger Ofen. Er hatte keinen Ausweis mehr: Der richtige Ausweis war ihm abgenommen worden, und die Annahme des Klappausweises PM 12 für Entlassene unter Führungsaufsicht hatte er verweigert; er verlangte, dass erst die Wohnung instand gesetzt wurde, die man ihm zugewiesen hatte. Die Melioration in Zinnowitz nahm ihn wieder, die waren mit ihm zufrieden gewesen. Nach der Schicht ging er zur Mutter essen, aber in der Dachwohnung musste er schlafen. Er trank jeden Tag in dieser Zeit, nach der Arbeit, auf der Arbeit nie. Wegen der Auflagen durfte er die Kneipen des Ortes nicht betreten, getrunken wurde draußen oder zu Hause oder bei einem Kumpel. An Tanzveranstaltungen durfte er teilnehmen, das war alles genau geregelt. Am Wochenende war er tagsüber nüchtern und trieb meistens Hundesport, oder er angelte an einem der Seen. Vor der Haft hatte er eine Freundin gehabt, auf Usedom, hatte auch zeitweilig bei ihr gewohnt. Doch so was übersteht die Haftzeit nicht. Seit der letzten Entlassung hatte sich noch nichts Neues ergeben, er hatte Zeit für Hunde und Fische.
     
    Als es passiert war, die Taten vom Mai 1981 , stand in der Zeitung, dass die Bürger von Lassan schon länger durch die Brüder Bardelow in Furcht und Schrecken gehalten wurden. Dass sie sich auch beschwert haben bei der Obrigkeit. Dass die Bardelow-Brüder wie eine Gang sind, die den ganzen Ort terrorisiert. Wie im Wildwestfilm, wurden empörte Bürger zitiert. Franz fand, dass das nicht stimmte, und damals habe man auch nichts davon gehört, erst nach der Tat. Richtig war, so Franz, dass man sie auszuschließen versuchte, alle, die zur Familie gehörten, und alle, die zu ihnen hielten. Sie waren die Asozialen, weil er nun auch mal gesessen hatte und tätowiert war. Dabei schuftete die Mutter seit Jahr und Tag, auch er ging zuverlässig arbeiten, eigentlich fast alle von ihnen.
    Natürlich mussten sie zusammenhalten. Franz war der kleinste von den Jungs, Jan Peter hingegen, der Jüngste, war ein ziemlich großer Kerl, obwohl er erst 16 war, und er ließ sich nichts gefallen. Franz hatte sich früher ja auch nichts gefallen lassen, aber jetzt war er erwachsen und friedlicher, fand er, er wollte keinen unnötigen Streit. Jan Peter hatte viel vom Vater: den Mädels imponieren, eine Schau abziehen, eine Zigarette nach der anderen, nicht zur Arbeit gehen, Disko. Wenn er mit Gleichaltrigen zusammen war, war er immer der Größte und Stärkste. Dann hieß es, die Leute hätten Angst vor den Bardelows. Aber Gerd zum Beispiel war arbeitsbedingt die ganze Woche über gar nicht da, und bei der Arbeit hatte sich nie jemand über ihn beschwert. Torsten war noch seltener da. Die Brüder zogen auch

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