Mord
Mitarbeiter und dem Ladendetektiv überwältigt worden war, bedrohte er beide mit einem Revolver. Sie konnten ihn gleichwohl mit einem Trick einsperren, woraufhin er randalierte und auch zweimal in die Tür schoss. Schließlich gelang ihm die Flucht über einen Notausgang, noch ehe die Polizei eintraf.
Im Oktober gab es eine Anhörung bei der Strafvollstreckungskammer mit ihm, dem Bewährungshelfer und dem ehrenamtlichen Vollzugshelfer. Siegfried gelobte Besserung, er wolle sich auch um eine Therapie bemühen. Das Gericht sah noch einmal von dem Erlass eines Sicherungshaftbefehls ab. Im November berichtete der Bewährungshelfer, den Siegfried beharrlich mied, dem Gericht, ein anderer seiner «Kunden» habe ihm erzählt, dass es mit Siegfried in einer Karaoke-Bar zu einem Vorfall gekommen sei.
Unruhe im Afrikanischen Viertel
Siegfried selbst sagte später, das könne er erklären. Er hatte sich damals mit seiner Freundin in der Togostraße bei dem Karli aufgehalten. Karlis Nachnamen wusste er leider nicht mehr. Der war schon Rentner, deutlich über sechzig und mit einer Thailänderin zusammen. Diesen Karli hatte er in der Araberkneipe kennengelernt, das waren die Alt-Berliner Stuben, die einzige Tag-und-Nacht-Kneipe in der Nähe, die wirklich 24 Stunden aufhatte. Mit seiner Tina – den Nachnamen hatte er vergessen, sie waren nun auch nicht so lange zusammen, dass man sich den Nachnamen gemerkt hätte – wohnte er eine Zeitlang bei dem Karli zur Untermiete. Die Tina war vorher mit einem türkischen Mann zusammen gewesen, hatte mit dem Krach gehabt und war bei dem ausgezogen. Da hatte er ihr natürlich angeboten, mit ihm zusammenzuziehen.
Der Karli ging häufig und viel trinken. An dem Abend Ende Oktober meinte nun die thailändische Freundin zu Siegfried, er solle doch mal nach Karli schauen und ihn nach Hause bringen, damit der nicht so viel trinke. Er, Siegfried, sei also in die Thai-Bar, das sei so eine Animierbar, habe da nach Karli geschaut, ihn aber nicht entdeckt. Stattdessen habe er mit seiner Freundin ein paar Bier getrunken. Der Tresen war hoch, er unterhielt sich mit jemand und stieß mit seinem Ellenbogen versehentlich ein Bierglas runter. «War natürlich keine Absicht gewesen», sagte Siegfried, aber die thailändische Frau hinter dem Tresen wurde durch die Splitter verletzt. Sie schimpfte mit ihm, er spuckte sie an, sie verpasste ihm prompt eine Ohrfeige. In Siegfrieds Erzählung fehlt, dass er nun ein anderes Glas ergriff und der Frau gegen die Schulter warf. Sofort seien zwei Typen angekommen – die kannte er vom Sehen, weil er ja häufig in der Gegend war –, hätten ihn an beiden Seiten an den Armen ergriffen und gesagt: «Raus, raus, raus.» Da sprach er die geflügelten Worte: «Mich schmeißt niemand raus. Einen Moment, ich komme gleich wieder.»
Er ging mit seiner Freundin zum Auto und schickte sie nach Hause, sagte, dass er noch etwas zu erledigen habe. Er hatte ja nichts gemacht gehabt, nur versehentlich das Glas umgekippt. Die Waffe war im Auto, das war eine Gasdruckpistole, die sah echt gut aus, groß und mächtig. Damit ging er wieder in die Kneipe. Jetzt liefen alle gleich nach hinten und riefen nach der Polizei. Einer stellte sich ihm entgegen, dem langte er eine mit der Waffe, Platzwunde am Kopf. Den anderen rief er nach: «Ja, jetzt zieht ihr alle den Schwanz ein!» Oder so ähnlich. Dass er in der Thai-Bar jemanden an den Haaren gezogen hatte, als er wieder zurückgekommen ist, dieser jungen Frau, der er auch die Waffe an den Kopf gesetzt hatte, daran konnte er sich nicht erinnern.
Weil er wusste, dass nun die Polizei kommen würde, ging er raus und gleich weiter in die Alt-Berliner Stuben. Da rissen alle die Augen auf und duckten sich unter die Tische, als er mit der Knarre reinkam, er aber sagte: «Nur keine Aufregung!» Er lief zwischen den Tischen hindurch in die Küche und durch den Hinterausgang hinaus auf den Hof und war verschwunden. Es gab nichts mehr zu tun, er lief nach Hause in die Togostraße. Weil er wusste, dass sie ihn jetzt suchten, ging er nicht in die Wohnung, sondern nach oben auf den Dachboden. Er bekam mit, wie die Polizei kam und bald wieder ging. Er blieb oben, falls sie wiederkämen.
Natürlich sei er besoffen gewesen, sagte Siegfried später, er sei in der Zeit ja wieder abgerutscht gewesen. Auch alle Zeugen gaben an, dass der Täter sehr betrunken gewesen sei. Nüchtern, so der syrische Wirt der Alt-Berliner Stuben, sei Siegfried ein ganz
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