Morddeutung: Roman (German Edition)
Triumvirat.«
»Nein.« Brill klang entsetzt.
»Doch«, bestätigte Jelliffe.
»Was?« Ferenczi blickte von einem zum anderen.
Younger wandte sich an Brill. »Darauf hätten wir schon längst kommen können. Wer in New York sitzt nicht nur im Herausgebergremium von Morton Princes Zeitschrift und weiß genauestens Bescheid über alles, was dort erscheinen wird, sondern hat auch die Macht, kurzerhand einen Verleger in Boston verhaften zu lassen?«
»Dana«, antwortete Brill.
»Und die Familie, die der Clark University die Schenkung angeboten hat? Hall hat uns doch berichtet, dass ein Mann aus dieser Familie ein Arzt ist, der sich mit Psychoanalyse auskennt. Im ganzen Land gibt es nur eine Familie, die so reich ist, dass sie eine ganze Heilanstalt finanzieren kann, und die außerdem einen weltberühmten Neurologen zu den Ihrigen zählt.«
»Bernard Sachs!«, rief Brill. »Und der anonyme Arzt in der New York Times ist Starr. Eigentlich hätte ich seinen aufgeblasenen Angeberstil beim Lesen sofort erkennen müssen. Starr prahlt immer damit, dass er vor mehreren Jahrzehnten in Charcots Labor studiert hat. Vielleicht ist er Freud dort sogar wirklich begegnet.«
»Wer?«, fragte Ferenczi. »Was ist Triumvirat?«
Abwechselnd erklärten Younger und Brill, um wen es sich handelte. Die gerade erwähnten Herren – Charles Loomis Dana, Bernard Sachs und M. Allen Starr – waren die einflussreichsten Neurologen des Landes. Zusammen waren sie als das New Yorker Triumvirat bekannt. Ihre außerordentliche Geltung und Macht verdankten sie einer Mischung aus Leistung, Stammbaum und Geld. Dana war der Autor des landesweit bedeutendsten Lehrbuchs über Nervenkrankheiten bei Erwachsenen. Sachs genoss sogar weltweites Ansehen – vor allem aufgrund seiner Arbeiten über eine zuerst von dem Engländer Warren Tay beschriebenen Krankheit – und hatte das erste Lehrbuch über Nervenbeschwerden bei Kindern geschrieben. Selbstverständlich waren die Sachs den überaus bedeutenden Danas gesellschaftlich nicht ebenbürtig; im Grunde konnten sie überhaupt nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, weil sie der falschen Religion angehörten. Aber sie waren reicher. Bernard Sachs’ Bruder hatte eine Goldmann geheiratet, und die Bank, die im Anschluss an diese Allianz gegründet worden war, war auf dem besten Wege, zu einer Bastion an der Wall Street zu werden. Starr, ein Professor an der Columbia University, hatte von den dreien die geringsten Erfolge vorzuweisen.
»Der reinste Windbeutel«, bemerkte Brill in Anspielung auf Starr. »Eine Marionette von Dana.«
»Aber warum sie wollen ruinieren Freud?«, wunderte sich Ferenczi.
»Weil sie Neurologen sind«, antwortete Brill. »Sie haben Angst vor Freud.«
»Ich verstehe nicht.«
»Sie gehören der physiologischen Schule an«, erklärte Younger. »Sie glauben, dass alle Nervenerkrankungen durch neurologische Störungen ausgelöst werden, und nicht durch psychologische Ursachen. Sie glauben nicht an Kindheitstraumata und auch nicht, dass sexuelle Verdrängung zu Geisteskrankheiten führt. Die Psychoanalyse ist für sie ein rotes Tuch. Sie bezeichnen sie als Kult.«
»Wegen wissenschaftliche Meinungsverschiedenheit sie machen das: verbrennen Manuskripte, schicken Drohungen, verbreiten Verleumdungen?«
Brill schnaubte verächtlich. »Mit Wissenschaft hat das nichts zu tun. Die Neurologen beherrschen alles. Sie sind die ›Nervenspezialisten‹, die Experten für ›nervöse Beschwerden‹. Alle Frauen mit hysterischen Anfällen, Herzklopfen, Ängsten und Frustrationen rennen zu ihnen. Die Behandlung dieser Patientinnen ist für sie Millionen wert. Sie haben ganz recht, wenn sie uns scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Wir werden sie arbeitslos machen. Niemand wird mehr zu einem Nervenspezialisten gehen, wenn erst bekannt wird, dass psychische Krankheiten ihre Ursache nicht in neurologischen, sondern in psychologischen Faktoren haben.«
»Dana war doch bei Ihrem Dinner, Jelliffe«, setzte Younger hinzu. »Er ist Freud mit einer Feindseligkeit begegnet, wie ich sie nur selten erlebt habe. Wusste er von Brills Buch?«
»Ja«, antwortete Jelliffe. »Aber er hätte es nicht verbrannt. Er war dafür. Er hat mich dazu ermuntert, es zu veröffentlichen. Er hat mir sogar einen Lektor besorgt, der die Endredaktion übernimmt.«
»Einen Lektor? Hat dieser Lektor nur in Ihrem Verlag an dem Manuskript gearbeitet oder es auch mal eingesteckt?«
»Selbstverständlich hat er es oft mit nach
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