Mordgier
Tropfen zwischen die Lippen.
Sie würgte. Begann zu hyperventilieren. Ich ging zu dem Ladentisch und holte eine mit dem Namen des Ladens bedruckte Einkaufstüte. Als ich zurückkam, atmete sie normal und redete mit Milo.
Sie hieß Amy Koutsakas, nannte sich aber Amelie und hatte etwas mehr als ein Jahr mit Kat Shonsky zusammengearbeitet. Zuerst sang sie das Lob der toten Frau. Wir warteten ab, bis das vorbei war und der Schock nachließ, und schon bald vertraute sie uns an, dass sie und Kat sich nicht besonders nahegestanden hätten. »Nicht dass ich sie schlechtmachen möchte. Gott behüte.«
»Ihr zwei seid einfach nicht miteinander ausgekommen«, sagte Milo.
»Wir haben uns nicht gestritten, aber um ehrlich zu sein, Lieutenant, wir hatten unterschiedliche Auffassungen.«
»Worüber?«
»Über diesen Job. Kat konnte taktlos sein.«
»Zu Ihnen oder zu den Kundinnen?«
»Sowohl als auch«, antwortete Amelie. »Ich will nicht sagen, dass sie sich Mühe gegeben hat, gemein zu sein, es war nur … ich weiß nicht, was ich wirklich sagen will. Tut mir leid. Ich kann nicht glauben, dass ich …«
»Kat hatte eine scharfe Zunge«, sagte ich.
»Sie hatte - manchmal lag es daran, was sie nicht sagte. Zu den Kundinnen.«
»Sie war nicht gut darin, Streicheleinheiten zu verabreichen.«
Sie setzte sich aufrecht hin. »Um ehrlich zu sein, Leute, in diesem Geschäft geht es vor allem um Angst. Der größte Teil unserer Klientel ist in fortgeschrittenem Alter, wer kann sich sonst die Preise erlauben? Wir reden von Frauen, die Größe sechzehn hatten und jetzt Größe achtzehn tragen. Wenn sie älter werden, verändert sich ihr Körper. Ich weiß das, weil meine Mom Tänzerin war, und das ist mit ihr passiert.« Sie fuhr mit der Hand über ihren glatten Bauch.
»Das hat Kat nicht begriffen«, sagte Milo.
»Wir haben eine Menge Frauen, die bei besonderen Gelegenheiten kommen. Die wirklich toll aussehen wollen und bereit sind, dafür zu bezahlen. Manchmal ist es eine echte Herausforderung, aber man muss mit der Kundin zusammenarbeiten. Man prüft die Aktivposten und die Verbindlichkeiten, ohne es erkennen zu lassen, und macht sie auf Sachen aufmerksam, die ihre Probleme minimieren. Falls sie etwas anprobiert, was schrecklich aussieht, sagt man etwas Freundliches und steuert sie allmählich in eine neue Richtung.«
»Angewandte Psychologie«, sagte Milo.
»Auf dem College hatte ich Psychologie im Hauptfach, und glauben Sie mir, das hilft.«
»Mit dieser Methode konnte sich Kat nicht anfreunden«, sagte ich.
»Kat dachte, es wäre ihr Job, beim Transport von Kleidungsstücken in die Umkleidekabine zu helfen und beim Anprobieren dabeizustehen und ihre Nägel zu überprüfen. Sie hat nie von sich aus ein Urteil abgegeben. Niemals. Selbst wenn die Kundin offensichtlich etwas hören wollte - regelrecht nach einer Bewertung verlangte. Ich versuchte, ihr klarzumachen, dass wir mehr als Verkäuferinnen wären. Ihre Antwort lautete: ›Das sind erwachsene Menschen, sie können selbst ihre Entscheidungen treffen.‹ Aber das ist nicht fair. Menschen brauchen Unterstützung, hab ich nicht recht? Selbst wenn etwas gut aussah, stand Kat einfach da und sagte keinen Ton. Es gab bei ihr keine Beratung , und das führte dazu, dass eine Menge Kundinnen ihre Verkäufe wieder zurückbrachten. Retouren werden direkt von der Provision abgezogen.«
»Haben Sie die Provision unter sich aufgeteilt?«, fragte Milo.
»So war es früher, aber ich habe den Inhabern gesagt, dass ich auf keinen Fall mit jemandem wie Kat teilen würde. Sie schätzen mich, und deshalb waren sie einverstanden, und ich habe schließlich dreimal so viel verdient wie Kat.«
»Macht die Provision einen großen Teil Ihres Gehalts aus?«
»Siebzig Prozent.«
»Dann hat Kat nicht gerade Geld gescheffelt.«
»Und Mannomann, was hat sie sich deswegen beklagt. Dauernd. Es ergab einfach keinen Sinn. Sie musste doch nur ein bisschen freundlich sein.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Ich weiß, das klingt so, als würde ich sie runtermachen, aber so war es nun mal. Und das ist der Grund, weshalb die Geschäftsinhaber gedacht haben, sie hätte das Handtuch geworfen, als sie nicht mehr reinkam und auf Anrufe nicht reagierte. Nach drei Tagen haben sie Kat entlassen.«
»Wer sind die Inhaber?«, fragte Milo.
»Mr. und Mrs. Leibowitz«, sagte sie. »Sie haben Geld im Blumenhandel gemacht und sich zur Ruhe gesetzt. Für Laura - Mrs. L. - hat es als Hobby begonnen. Sie sind
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