Mordgier
jedes Jahr nach Paris gefahren, und sie hat tolle Sachen von dort mitgebracht, die ihre Freundinnen bewunderten.«
»Handelt es sich um abwesende Inhaber?«
»Zum größten Teil. Ich bin die Geschäftsführerin, und Kat ist - war meine Stellvertreterin.« Die Vergangenheitsform ließ sie zusammenzucken. »Haben Sie eine Ahnung, wer es gewesen ist?«
»Noch nicht«, sagte Milo. »Deshalb sind wir hier.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, wer so etwas tun könnte.«
»Hat Kat mal eine Auseinandersetzung mit einer Kundin gehabt? Oder mit sonst jemandem?«
»Nein, nein, unsere Kundschaft ist kultiviert. Nette Frauen.«
»Was ist mit den Männern in Kats Leben?«
»Ich hab keinen von ihnen kennen gelernt«, sagte sie, »aber nach ihren Worten zu schließen, hatte sie mit einer Menge von Losern zu tun gehabt und wollte Männern grundsätzlich abschwören.«
»Irgendjemand im Speziellen?«
»Nein, wir haben nie per Namen von ihnen gesprochen. Sie machte nur Bemerkungen. Darin war sie groß, in Bemerkungen.«
»Über Männer?«
»Männer, ihr Job, das Leben im Allgemeinen. Ihre Mutter - sie hat viel über ihre Mutter geredet. Sie meinte, es gäbe alle möglichen Formen, wie Druck auf sie ausgeübt würde, damit sie sich anpasste, und sie würde es hassen. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte sie eine unglückliche Kindheit. Im Grunde machte sie auf mich den Eindruck eines unglücklichen Menschen. Das war vermutlich der Grund dafür, dass sie trank.«
»Am Arbeitsplatz?«
Schweigen.
»Amelie?«
»Manchmal roch sie deutlich zu stark nach Pfefferminz, wenn sie hier ankam. Ein paarmal vergaß sie das Pfefferminz, und ich roch den Alkohol. Ich fing an, Mundwasser für sie bereitzuhalten.«
»Hat sie gern gefeiert?«
»Das nehme ich an«, sagte sie. »Wissen Sie, wer diese Fragen besser als ich beantworten kann? Ihre Freundin Beth. Sie arbeitet in einem Schmuckgeschäft ein Stück weiter die Straße hoch. Sie ist diejenige, die Kat erzählt hat, dass hier eine Stelle frei geworden ist.«
»Vielen Dank für den Tipp«, sagte Milo.
»Keine Ursache.«
Sie brachte uns zur Tür, wobei sie unterwegs Kleider gerade hängte.
Bevor Milos Hand den Türknauf berührte, sagte sie: »Wahrscheinlich hat es nichts zu bedeuten, aber vielleicht gibt es noch etwas, wovon ich Ihnen berichten sollte. Von einem Kunden.«
Wir blieben stehen.
»Es war nicht wirklich eine Auseinandersetzung, aber - ich bin sicher, es hat nichts zu bedeuten.«
»Alles, was Sie uns sagen können, kann eine Hilfe sein, Amelie.«
»Okay … Vor ungefähr einem Monat, vielleicht fünf, sechs Wochen, hatte ich vormittags frei und kam nach dem Mittagessen und stellte fest, dass Kat in einer echt albernen Stimmung war. Dauernd prustete sie los, und das war sonst nicht ihre Art. Ich meinte: ›Was ist denn los?‹, worauf sie meinte, eine irrsinnig komische Sache wäre gerade passiert. Ein Mann wäre reingekommen und hätte angefangen, in den runtergesetzten Sachen herumzustöbern. Kat vermutete, genau wie ich gerade bei Ihnen beiden, dass er auf der Suche nach einem Geschenk sei. Sie ignorierte ihn, wie sie es immer tat. Der Typ inspizierte weiterhin die Ware, wobei er sich auf die größeren Kleider konzentrierte. Nach einer Weile wurde Kat nervös, und schließlich ging sie rüber und fragte ihn, ob sie ihm helfen könne.«
»Was machte sie nervös?«
»Dass sie mit ihm allein war, wie lange er brauchte. Wir sind kein riesiges Kaufhaus, wie viel Zeit braucht man denn, um sich die Ware anzusehen? Und die meisten Männer haben überhaupt keine Geduld, sie kommen rein und sind gleich wieder draußen, oder sie bitten um Hilfe. Jedenfalls sagte dieser Typ, er käme zurecht, und Kat ging wieder an den Ladentisch zurück. Aber irgendwie bekam sie ein komisches Gefühl und ging noch einmal nachschauen. Sie konnte ihn nicht sehen, hörte ihn aber hinter einem der Doppelständer, und deshalb ging sie hinüber und warf einen Blick zwischen die Ständer. Der Typ hatte ein Kleid von der Stange genommen und hielt es sich vor den Körper. Streichelte es - als würde er es an sich selber ausprobieren. Kat meinte, sie hätte sich nicht beherrschen können, sie wäre einfach in Lachen ausgebrochen, und der Typ hätte es gehört und sich mächtig beeilt, um das Kleid wieder zurückzuhängen. Aber anstatt sich zu entschuldigen, stand Kat einfach nur da. Und anstatt aus dem Laden zu laufen, drehte sich der Kerl um und starrte sie an. Benahm sich … unverfroren. Als
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