Mordkommission
kommentiert, gutgeheißen
oder kritisiert werden. Es waren zwiespältige Gedanken, die mich in diesem Moment beschlichen. War ich dieser verantwortungsvollen
Aufgabe tatsächlich gewachsen? Oder würden die Kritiker, die meine direkte Versetzung von einem Kommissariat, in dem ich Eigentums-
und Bandendelikte bearbeitet hatte, zur Mordkommission im Vorfeld vehement angeprangert hatten, am Ende Recht behalten? Der
Tag verging ohne Einsatz. Nach Dienstschluss lenkte ich meinen zivilen BMW durch den Berufsverkehr nach Hause. Es war ein
komisches Gefühl, als ich den Polizeiwagen zum ersten Mal in meiner Garage abstellte. Ab sofort würden also andere bestimmen,
ob ich nachts schlafen durfte oder nicht. Die erste Bereitschaftsnacht brach an. Ich überprüfte meine Einsatzunterlagen, bereitete
die Kaffeemaschine vor, damit ich im Falle nächtlichen Ausrückens meine Lebensgeister auf Vordermann bringen könnte, und dann
ging ich – früher als gewohnt – ins Bett. Sicher ist sicher. Allerdings dauerte es dann doch deutlich länger als gewohnt,
bis ich einschlief.
Als mich schließlich der Wecker zur gewohnten Stunde aus den Federn scheuchte, war ich irgendwie erleichtert. |30| Auch der Tagdienst verlief ohne Besonderheiten, ich war vor allem immer noch damit beschäftigt, die Kollegen und die Abläufe
in der Dienststelle kennenzulernen. Dann begann die zweite Nacht. Ich hatte mir vorgenommen, diesmal länger wach zu bleiben,
um im Falle eines Einsatzes keine Zeit mit Aufwachen und Anziehen zu vergeuden. Ich hatte eine unbestimmte Vorahnung, dass
ich heute zu meinem ersten Einsatz fahren würde. Und ich war überzeugt, dass der Anruf vor Mitternacht erfolgen würde. Doch
das Telefon blieb stumm. Gegen ein Uhr legte ich mich schließlich hin und schlief ein. Es war kurz vor drei Uhr, als das Bereitschaftshandy
klingelte. Es dauerte lange, ehe ich begriff, was das ungewohnte Geräusch in meinem Schlafzimmer bedeutete.
|31| Mein erster Einsatz: Eine Entführung?
In einer Bäckerei in der Innenstadt hatten zwei Maskierte den Sohn des Besitzers überfallen, als er eben im Begriff war, die
Tür zur Backstube aufzusperren. Möglicherweise hatten die Täter beabsichtigt, ihn zu entführen. Aufgrund seines erbitterten
Widerstandes ließen die beiden Angreifer schließlich unverrichteter Dinge von ihrem Opfer ab und flüchteten. Beamte des Kriminaldauerdienstes,
kurz KDD, waren bereits unterwegs zum Einsatzort, Streifen der Schutzpolizei fahndeten nach den flüchtigen Tätern. Man gehe
derzeit, so der Kollege, der mich informierte, von einem versuchten erpresserischen Menschenraub aus, da der Vater des Überfallenen
als vermögend gelte.
Die Beamten des KDD verrichten im Polizeipräsidium München Schichtdienst. Außerhalb der regulären Dienstzeiten, also nachts
und an Wochenenden und Feiertagen, sind sie im Erstzugriff zuständig für alle Vorgänge, die das Einschalten der Kriminalpolizei
erfordern. Also für Raubüberfälle, Einbrüche, Sittenvergehen, Diebstähle, Körperverletzungen, aber auch, wenn ein Leichenschauarzt
nicht eindeutig feststellen kann, ob es sich um eine natürliche Todesursache handelt, oder bei tödlichen Betriebs- und häuslichen
Unfällen sowie bei Suizid. Bei einem Tötungsdelikt hingegen leisten die Beamten des KDD nur Vorarbeit; bis zum Eintreffen
der Mordkommission veranlassen sie unaufschiebbare Maßnahmen wie Absperrungen oder sie ermitteln Zeugen. Diese Vorgehensweise
stellt einen unschätzbaren Vorteil bei Mordermittlungen dar, sind doch die Beamten des KDD in der Regel deutlich schneller
am Tatort, als die Beamten der Mordkommission es sein können, die oft genug aus dem Tiefschlaf geweckt werden und womöglich
weite Anfahrtswege von ihrer Wohnung aus haben. Die schnelle, professionelle Absicherung eines Tatortes und rasche Ermittlung
von beteiligten Personen aber sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit der |32| Mordkommission. Da ich aus meiner eigenen Erfahrung beim KDD die Abläufe kannte, konnte ich sicher sein, dass bis zu unserem
Eintreffen bereits alles Nötige veranlasst oder zumindest eingeleitet sein würde.
Eine Minute später »genoss« ich meinerseits die verschlafenen Stimmen der beiden Kollegen, die mit mir Bereitschaft hatten.
Ich bestellte beide zum Tatort, ebenso die Kollegen des Erkennungsdienstes. Abschließend informierte ich den Bereitschaftsbeamten
der Staatsanwaltschaft. Die
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