Mordloch
war wirklich rassig, dachte Linkohr. Auch jetzt, nachdem ihre Gesichtszüge hart waren und die Haut ihre Farbe verloren hatte. Häberle hatte ihr schonend beigebracht, dass ihr Mann vermutlich Opfer eines Verbrechens geworden sei. Nachdem ihn der Kommunalpolitiker Maile bereits identifiziert habe, bestünden leider keine vernünftigen Zweifel mehr. Allerdings werde man erst letzte Sicherheit haben, wenn sie dies bestätige. Dies könne man ihr nicht ersparen und müsse noch heute sein.
Die Frau war in den hellen Ledersessel gesunken und hielt sich die zu Fäusten geballten Hände vor den Mund. Die beiden Kriminalisten, die auf der Eckcouch saßen, schwiegen. Momente wie dieser gehörten zu den unangenehmsten Aufgaben. Angehörigen eine Todesnachricht zu überbringen, erforderte viel Feingefühl. Gleichzeitig war es wichtig, die Reaktionen zu registrieren. Diese Ehefrau war zwar geschockt, aber keinesfalls in tiefste Trauer gestürzt. Doch dies hatte nicht unbedingt etwas zu bedeuten. Aus langjähriger Erfahrung wusste Häberle, dass sich Trauer vielfach äußern konnte.
Sarah Flemming hatte bereits bestätigt, dass ihr Mann verschwunden war. Der Kommissar versuchte deshalb, ein Gespräch in Gang zu bringen. »Sie haben ihn nicht als vermisst gemeldet?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab’ doch nicht gleich mit dem Schlimmsten gerechnet. Oder muss man das?« Ihre Stimme klang heiser, ihre Augen waren leer.
»Ist er oft so lange weggeblieben?« Häberles Blick streifte die moderne Schrankwand, die aus viel Glas und Metall bestand. Die Regale waren mit Büchern und diversen Reisemitbringseln gefüllt, überwiegend offenbar aus dem Orient.
»Es kam vor, dass er mit Freunden zusammensaß«, erklärte die Frau und berichtete, dass ihr Mann den Abend in der ›Oberen Roggenmühle‹ verbracht habe.
»Aber seither sind gut und gern 20 Stunden vergangen«, warf der Kriminalist ein und verschränkte die Arme vor seinem Bauch.
Sie nickte abermals. »Ich hab’ Freunde angerufen und Bekannte – aus reiner Verzweiflung.« Sie legte ihre Hände auf die langen Oberschenkel, die in enge Jeans gezwängt waren. Linkohr hatte Gelegenheit, die weiblichen Formen dieser Frau zu studieren, die ein Pullover deutlich erahnen ließ.
»Und – was wurde Ihnen berichtet?« Häberle blieb ruhig.
Die Frau zuckte mit den Schultern und atmete schwer. »Er sei ungewöhnlich bald gegangen – in der Roggenmühle.«
»Das hat Sie nicht stutzig gemacht?«
»Mein Mann hatte viele Freunde.« Und sie fügte mit gewisser Resignation hinzu: »Nicht nur männliche, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Und Sie?« fragte der Kriminalist mit gewissem Charme in der Stimme nach.
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ach so – jetzt denken Sie, ich hätte ...?« Noch bevor sie weiterreden konnte, besänftigte er sie: »Nicht was Sie denken, ich bitt’ sie, Frau Flemming! Aber, vielleicht hilft es uns weiter, wenn wir auch Ihre Lebensumstände kennen.«
Sie schwieg einen Moment, rang sich dann aber zu einer Erklärung durch: »Ich bin Geschäftsfrau. Meine Kontakte beschränken sich auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Da ist für Liebschaften kein Platz, falls Sie das meinen.« Sie begann, nervös mit ihren Fingern zu spielen. Linkohr beobachtete sie scharf.
»Welcher Art sind Ihre Geschäfte?« wollte Häberle wissen.
»Export, Import – aus den osteuropäischen Ländern. Großhandel«, sagte sie kühl, »ich beliefere die kleinen türkischen Läden.«
»Und das ist ein Markt, der sich lohnt?«
»Mehr schlecht als recht«, entgegnete Frau Flemming, »aber Sie wissen, der Großraum Geislingen gilt als Region mit einem relativ großen Anteil türkischer Bevölkerung.«
»Und um welches Warenangebot handelt es sich dabei?«
»Nichts Spezielles«, erwiderte sie, »Blumen mal, Porzellan, Teppiche.«
»Teppiche?« staunte Häberle, wollte aber nicht näher darauf eingehen, sondern fragte: »Und Ihr Mann, was hat er gearbeitet?«
»Wir haben das gemeinsam gemacht«, antwortete sie eine Spur zu schnell, wie Linkohr bei sich registrierte. Sie griff sich in den Nacken und warf die langen Haare nach hinten.
»Und wie darf man sich das Geschäft in der Praxis vorstellen?« Der Chefermittler ließ sich seine Neugier nicht anmerken. Seine Fragen klangen stets, als seien sie eher beiläufig gestellt.
»Na ja, wir halten den Kontakt zu den Einzelhändlern – und versuchen günstige Einkaufsquellen zu erschließen. Die Zeiten sind hart
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