Mordloch
Bestattungsunternehmer schließlich und hatte etwas Triumphierendes im Gesicht, »klar, Flemming, Markus Flemming, ein Geschäftsmann von Waldhausen. Kein Zweifel.« Jetzt, da er es gesagt hatte, wurde sein Gesichtsausdruck ernst. Ein Murmeln ging durch den Kreis der Herumstehenden, während sich eine Wolkenwand vor die Sonne schob. Das Wetter schien schlechter zu werden.
Linkohr ergriff als Erster wieder das Wort: »Dann können Sie mir ein bisschen mehr über den Mann erzählen.«
Während die Taucher und ein Helfer Mailes nun den Sarg schlossen und ihn in die Ladefläche des Kombis schoben, legte der Unternehmer geradezu freundschaftlich den Arm auf die Schulter des weitaus schmächtigeren Linkohrs und schob ihn ein paar Schritte zur Seite. »Flemming ist kein Einheimischer«, erklärte er dem jungen Kriminalisten, »das müssen Sie wissen, wenn Sie da oben recherchieren. Trotzdem hat er sich in jüngster Zeit mit den Bauern ziemlich gut verstanden. Sie haben’s sicher gehört«, sagte er und senkte die Stimme, als wolle er etwas ganz Vertrauliches verraten, »da oben geht’s gerade hart zur Sache. Wegen eines Schweinestalls, den der Ortsvorsteher bauen will. Und dieser Flemming hier ...«, er deutete zum Leichenwagen, »der hat sich zum Sprecher der Gegner gemacht.«
»Hat der Mann Familie, ist er verheiratet?« Linkohr wurde hellhörig.
»Verheiratet«, erwiderte Maile und fügte süffisant hinzu: »Eine rassige Blondine.« Der Leichenbestatter verstand es trefflich, mit kurzen Bemerkungen von der Tragik eines Falles abzulenken. Ein Vorgehen, das auch Polizisten oftmals über die schlimmsten Situationen hinweghalf.
Linkohr wusste längst, dass Maile ein wichtiger Informant war – und zwar in allen Bereichen. Dieser Kommunalpolitiker hatte Beziehungen bis in die höchsten Ebenen der Politik und war im Kreise der Konservativen durch seine unkomplizierte Art beliebt, manchmal aber auch umstritten. Er verstand es, selbst den höchsten Repräsentanten auf humorvolle und direkte Weise seine Meinung zu sagen. Wichtige Kontakte knüpfte er regelmäßig als ›Großlöffelmeister‹ des bundesweiten Männer-Kochclubs, bei dem es zwar vordergründig um gutes Essen und Trinken ging, man aber auch die Gelegenheit ergriff, persönliche und geschäftliche Beziehungen zu knüpfen und diese auch zu nutzen.
»Können Sie später zur Dienststelle kommen?« fragte Linkohr, um dies nicht gleich als Aufforderung formulieren zu müssen.
»Sobald ich von Ulm zurück bin«, versprach Maile und wandte sich seinem Kombi zu.
Als Linkohr später an diesem Sonntagnachmittag im Backsteingebäude der Geislinger Kriminalpolizei eintraf, waren die Büros noch verwaist. Das würde sich in den nächsten Stunden ändern, befürchtete er. Dann bemerkte er, dass sich in einem der Räume, zu denen die Türen offen standen, bereits jemand befand. Zu seinem Erstaunen hatte sich dort Helmut Bruhn, Chef der Kriminalpolizei im Kreis Göppingen, an einem Schreibtisch niedergelassen und den verzweifelten Versuch unternommen, den Computer hochzufahren. Dies scheiterte offenbar daran, dass er das aktuelle Passwort nicht kannte. Bruhn, dessen schmaler Haarkranz einen blitzblanken Glatzkopf säumte, hatte zwar die Schritte gehört, sich aber nicht darum geschert. Stattdessen brüllte er plötzlich los: »Weiß jemand, wie dieses gottverdammte Ding angeht?« Linkohr wusste, dass jetzt äußerste Vorsicht, vor allem aber keine Antwort angebracht war, schon gar nicht von ihm, einem Angehörigen der niederen Dienstränge. Er grüßte deshalb freundlich, erhielt aber weder eine Antwort, noch wurde er eines Blickes gewürdigt. Bruhn hämmerte wie besessen auf die Tasten, zerrte an der Maus und war nahe daran, die Tastatur im hohen Bogen an die Wand zu schmettern. Der junge Kriminalist blieb im Türrahmen stehen und staunte über so viel Unbeherrschtheit.
Bruhn, als Choleriker bekannt und gefürchtet, hielt nichts von den Ratschlägen, wenn sie von Personen kamen, die jünger als er waren oder die es nicht mindestens zum Kriminalrat gebracht hatten. Nach drei falschen Eingaben wurde am Bildschirm signalisiert, dass man den Administrator kontaktieren müsse. Bruhn schlug mit der Faust auf die weiße Schreibtischplatte, dass Aktenkästen und Büro-Utensilien schepperten. »Sie kommen vom Tatort?« fuhr er Linkohr an. »Und?« Der Chef erwartete zackige Antworten, erst recht von so einem jungen Beamten.
Linkohr schluckte und versuchte, einigermaßen
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