MordLust
oder standen an der Theke, doch niemand war nahe genug bei ihnen, um bei dem lauten Gerede und dem Besteckund Geschirrklappern in dem Café verstehen zu können, was sie sagten. Dennoch beugte sie sich dichter zu Anderson hinüber. »Ich stelle mir vor, dass Leslie das schlechte Gewissen packen könnte. Er könnte mit mir darüber reden und andeuten, dass er Dinge getan hat, die er nicht hätte tun sollen. Ich könnte das Gefühl bekommen, dass ihn irgendwas quält.«
»Selbstmord?«
»Ich hab einige kleinere Waffen, eine für zu Hause, ein paar fürs Auto, zum eigenen Schutz. Leslie hat mir gezeigt, wie man damit umgeht«, sagte Widdler.
»Also …«
»Ich brauche jemanden, der mich fährt. Ich will nämlich nicht nur, dass er sich erschießt, ich will, dass er es sozusagen … auf einer Bühne tut. Ich möchte, dass die Leute in eine bestimmte Richtung schauen.«
»Und du brauchst jemanden, der dich fährt?« Anderson war verblüfft. Sie redeten über einen Mord, und die Mörderin brauchte eine Fahrerin.
»Ich weiß nicht, wie ich es sonst machen soll – ihn dorthin zu kriegen, wo ich ihn haben will, und wieder nach Hause zu kommen. Ich muss schnell sein, um mir ein Alibi zu verschaffen. Ich muss zu Hause sein, falls jemand anruft. Und ich kann mir auch kein Taxi nehmen. Es ist alles … es ist alles viel zu schwierig, wenn du mir nicht hilfst.«
»Und ich muss dich nur fahren, mehr nicht?«
»Mehr nicht«, sagte Widdler. »Außerdem ist es sehr günstig, nur ein paar Minuten von deinem Haus entfernt.«
Sie sprachen noch etwa fünf Minuten mit leiser Stimme, dann sagte Anderson: »Ich könnte es nicht im Gefängnis aushalten, ich könnte es einfach nicht.«
»Ich auch nicht«, erwiderte Widdler. Anderson beobachtete sie, und sie ließ ihre Lippen so heftig beben, wie sie konnte. Dann streckte sie den Arm aus und fasste nach Andersons Hand. »Kannst du das machen? Nur diese eine Sache?«
»Nur dich fahren«, sagte Anderson.
»Das ist alles, und … wegen dem Geld. Leslie hat die ganzen heiklen Sachen in unserem Haus auf dem Land untergebracht.«
»Ich wusste gar nicht, dass ihr ein Haus auf dem Land habt«, sagte Anderson.
»Bloß eine Hütte und einen Schuppen. Ich geb dir den Schlüssel. Du kannst dir nehmen, was du willst. Wenn du das an die Westküste bringst, könnten allein die kleinen Sachen eine halbe Million Dollar wert sein. Du könntest genug dafür kriegen, um zehn Jahre in Europa zu bleiben, wenn du ein bisschen vorsichtig bist. Du kannst dir nehmen, was du willst.«
»Was ich will?« Anderson zog die Augenbrauen hoch.
»Was du willst«, sagte Widdler. »Früher oder später findet die Polizei es ohnehin. Ich werde keinen Penny davon kriegen, egal was passiert. Wenn du es schaffst, vorher da zu sein, nimm dir, was du willst.«
Anderson dachte darüber nach. Janes Angebot schien ungewöhnlich großzügig zu sein. Aber andererseits steckte sie in einer äußerst verzweifelten Lage.
»Ich brauche dich also nur zu fahren, sonst nichts.«
»Das ist alles«, sagte Jane.
»Wann?«
»Ziemlich bald. Ich hab schon angefangen, auf Leslie einzureden, damit er ins Grübeln gerät. Er hat eh die Tendenz …« Sie zuckte mit den Schultern.
»Durchzudrehen«, beendete Anderson den Satz. »Dein Mann ist vollkommen wahnsinnig.«
Widdler nickte.
»Also wann?«, drängte Anderson.
»Heute Abend. Ich will es heute Abend durchziehen.«
Widdler gab ihr einen Schlüssel zu dem Schuppen, wie sie es nannte. »Ich tu heute Nachmittag eine Karte von der Gegend in die Post – Leslie hat eine im Auto.« Nachdem sie sich getrennt hatten, fuhr Widdler wieder die Rolltreppe hinunter und ging an dem Starbucks-Laden vorbei, doch Jenkins sah sie nicht.
Jenkins war fort. Lucas hatte ihn abgezogen.
Lucas fand Sandy über ihren veralteten Computer gebeugt und an einem Fingernagel kauend. Als sie aufblickte, flogen ihre Haare nach hinten, und sie sagte: »Wir haben ein bisschen Glück gehabt. In einem Artikel in Midwest Home über Antiquitäten wurden die Widdlers mal vorgestellt, und sie haben eine eigene Webseite mit einer Kurzbiografie. Beide haben ein Jahr vor Amity Anderson auf dem Carleton College Examen gemacht. Sie müssen sich gekannt haben. Jane Widdler hatte als Hauptfach Kunstgeschichte, Amity Anderson Kunst, und Leslie Widdler hatte ein Stipendium für Design. Er hat Keramik gemacht.«
Lucas zog sich einen Stuhl herüber. »Steht auf ihrer Webseite irgendwas über Kunden?«
»Nein,
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