MORDMETHODEN
rissen sie an den Haaren, hielten ihr eine Knarre an den Kopf und benutzten sie als Schutzschild. Dann gingen wir rauf und sagten: ›Ich hab’ hier das Mädchen, und ich blas’ ihr das verdammte Gehirn raus, wenn sich einer von euch mit einer Schusswaffe sehen lässt.‹ Dann schmiss ich das Flittchen die Treppe runter und ging rein. ›Los, Jungs, lasst uns spielen‹, [sagte ich zu meinen Kollegen].
Dann folterten wir sie ein bisschen. Wir waren vier Polizisten gegen vier von den anderen. Wir haben sie gebrochen, Knochen für Knochen. Ihre Gesichter waren Brei. Das Blut war bis zur Decke verteilt, mit Fingerspuren darin, als ob sie rauskriechen wollten.
Hinterher haben wir Bilder von der Wohnung gesehen. Es war unglaublich, das Blut war wirklich überall, an allen Wänden, auf allen Möbeln, auf dem gesamten Boden. [Im Krankenhaus] mussten sie den Jungs so viele Haare abrasieren – dem einen mussten sie gleich alle Haare abnehmen. Er musste mit 70 Stichen genäht werden. Wir zwangen sie, uns anzubetteln, nie mehr bei einer Bande mitzumachen.
Daraufhin gab es 66 Beschwerden gegen mich, und beieiner Demonstration vor dem Revier riefen sie sogar meinen Namen … Nach 18-monatigen Ermittlungen haben mich die Anzeigeerstatter in einer Gegenüberstellung aus zwölf Leuten herausgefunden. Darauf war ich stolz …
Ich habe keinen einzigen Straftag erhalten … Ich meine, niemand kann einfach so einen Polizisten anschießen.«
Diese Geschichte war leider wahr. So kam es, dass zehn Jahre alte Tonbandaufnahmen eines rassistischen, gewalttätigen, vor Gericht unter Eid lügenden, im Dienst das Recht brechenden und Geiseln nehmenden Macho-Polizisten, die nicht das Geringste mit den Taten O. J. Simpsons zu tun hatten, den Fall entschieden. Der ehemalige Football-Star, Schauspieler und Lebemann O. J. Simpson wurde am 3. Oktober 1995 um zehn Uhr morgens im Strafprozess um den Mord an seiner Exfrau und deren Freund, der ihr eine Sonnenbrille bringen wollte, die Nicole Brown kurz zuvor bei einem Essen mit ihren Eltern und Simpson in einem Restaurant liegen gelassen hatte, freigesprochen.
Als die JurorInnen danach in ihr Beratungszimmer gingen, weinten die meisten von ihnen und umarmten sich gegenseitig. Dann fielen sie in völliges Schweigen und Starre – eine Folge des enormen Drucks, dem sie ausgesetzt waren, und der Isolierung von ihren Familien.
Nur eine der Jurorinnen brach die Stille und sagte: »Wir müssen uns selber schützen.« Und damit war das Theater zu Ende. Zumindest vorläufig. Denn im Dezember 2001 fiel Simpson, der inzwischen die meisten seiner Freunde verloren hatte, erneut auf. Nach zweijähriger Ermittlungsphase (vom FBI »Operation X« genannt) erhielt O. J. erneut Besuch von der Polizei. Man beschuldigte ihn, in einem Schmugglerring zu arbeiten, der mit Ecstasy aus den Niederlanden und illegal abgezapften Daten von TV-Satelliten handelte.
Kurz zuvor, am 24. Oktober 2001, war er in Miami bereits in einem anderen Verfahren verurteilt worden. Simpson hatte dem Fahrer eines Autos, das ihn geschnitten hatte, die Sonnenbrilleweggerissen und sowohl die Brillengläser als auch das Gesicht des Mannes zerkratzt.
Zeugen
Jurymitglieder und Zeugen haben vor Gericht das gleiche Problem: Sie haben keine Erfahrung darin, trockene, naturwissenschaftliche Tatsachen zu betrachten und gegeneinander abzuwägen. Woher auch? Im Alltag der meisten Menschen geht es nicht um Tatsachen, sondern um Meinungen, Gefühle, Interessen und Lebenslust. Auch in einer Gerichtsverhandlung interessieren sich die meisten Nicht-JuristInnen daher eher für das Charakterbild eines Angeklagten als für die reinen Fakten. Das ist ganz natürlich.
Leider erlaubt dies übel meinenden Prozessparteien, ein schwer durchschaubares Gewirr aus Vermutungen und Annahmen in die Verhandlung einzubringen. Das wurde schon im Fall Lindbergh gezeigt. Zwar beweisen die Merkmale des Holzstückes aus der Leiter eindeutig, dass Hauptmann als einziger Täter infrage kommt. Dennoch kann man durch gezielte Weglassungen und Verdrehungen der Geschichte den Täter Hauptmann als rein zufällig in die Ermittlungen hineingerutschten Miniaturgauner erscheinen lassen.
Auch im Zusammenhang mit der Tötung der Gattin von Pastor Geyer würde es ohne Sachbeweise schwierig werden, den Fall zu verstehen. Gegen die bis heute aufrechterhaltene Aussage des Pastors, er sei unschuldig, steht beispielsweise folgende Vermutung seiner Geliebten, die diese dem Stern gegenüber
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