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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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überlassen die meisten modernen Staaten solche Entscheidungen lieber Berufsrichtern als Laien.
    Besondere Kapriolen schlägt unsere Wahrnehmung auch dann, wenn es um scheinbar Übersinnliches geht. Immer wieder gelingt es sogar Jugendlichen, die krankhaft nach Aufmerksamkeit gieren, ganz Deutschland an der Nase herumzuführen. Voraussetzung dafür ist, dass sie unsere Angst vor Jenseitigem (bzw. Hoffnung darauf) so lange kitzeln, bis wir den gesunden Menschenverstand fahren lassen.
    So kämpfte der Jurist Herbert Schäfer jahrelang gegen den angeblichen Spuk, den ein 15-Jähriger veranstaltete. Anfangs versteckte der Junge in der Wohnung seiner Großmutter Steine auf einer Tür. Wann immer die Tür bewegt wurde, fielen die Steine herab. Ein Poltergeist?
    Außerdem warf er nachts Scheiben von außen ein, behauptete aber, in der Wohnung gewesen zu sein. Im Keller seines Lehrbetriebs zerschmiss er jede Menge Porzellan, indem er es schief aufstellte, sodass es okkulterweise umfiel und zerbrach. Manchmal, wenn keiner zusah, warf er auch einfach ein altes Stück Geschirr in die Regale. Der Wurfgegenstand fiel anschließend nicht auf, da er ebenfalls kaputt war. Obwohl der Junge all seine Tricks später verriet, zog die Sache als »Jahrhundertfall von der Neuen Vahr« in den Sechzigerjahren weite Kreise. Selbst die herbeigerufenen Feuerwehrleute waren, als sie später befragt wurden, vom Spuk überzeugt. »Selektive Aufmerksamkeit und Befangenheit machen blind«, fasste Ghostbuster Schäfer zusammen.
    Sogar eine dicke Männerfreundschaft ging wegen der Parapsychologie in die Brüche. Der Bühnenzauberer Harry Houdini führte zu Anfang des 20. Jahrhunderts Tricks vor, die nicht nur sehr gewagt waren, sondern manchmal auchmit versteckter Bestechung (beispielsweise von Polizisten, die seine Handschellen »aussuchten«) einhergingen. Bei seiner vielleicht berühmtesten Darbietung stieg Houdini in einen Krug, der mit Schlössern gesichert und durch eine kleine Öffnung mit Wasser randvoll gefüllt wurde. Minuten später stieg er lebend wieder heraus. Dieser Trick war so unbegreiflich, dass Menschen, die an Übersinnliches glaubten, in Houdini einen echten Zauberer sahen. Sogar Houdinis Freund Sir Arthur Conan Doyle war dieser Meinung. Da Houdini immer wieder so genannte Medien enttarnte, die gegen Bezahlung geschickt arrangierte Seancen veranstalteten, machte er sich bei diesen ziemlich unbeliebt. Letztendlich zerbrach darüber sogar die Freundschaft zwischen Doyle und Houdini. Der Bühnenkünstler verkündete nun vor jedem Auftritt, dass es sich bei dem »Water-Torture«-Trick nicht um Magie handele.
    Houdini flog übrigens nur ein einziges Mal auf, und zwar bei einem Auftritt in Köln im Jahr 1901. Aufgrund der katastrophalen Wirtschaftslage waren die Menschen überaus empfindlich gegen jede Art von Betrug geworden. Als Houdini im Zirkus Corty-Althoff als Hauptattraktion auftrat, versuchte der gleichzeitig in der Stadt gastierende Zirkus Sidoli den Ruf des Konkurrenten zu schädigen. Man ließ den Kölner Schutzmann Graf in der Rheinischen Zeitung berichten, dass Houdini vergeblich versucht habe, ihn mit 20 Reichsmark zu bestechen. Er hätte Handschellen bereitlegen sollen, die »polizeilich geprüft«, in Wahrheit aber leicht zu öffnen gewesen seien. Außerdem, so die Zeitung, sei Houdini ein Betrüger, denn seine Tricks seien allesamt Illusionen.
    Houdini wehrte sich erfolgreich gegen den Vorwurf der Bestechung und freute sich darüber, nicht mehr als übersinnlicher Zauberer angesehen zu werden. Seine Zuschauer glaubten zwar immer noch nicht, dass bei den Entfesselungen auf der Bühne alles mit rechten Dingen zuging. Sie lernten aber auch, nicht immer ihren Augen zu trauen.
    Damit soll der kleine Ausflug in die Welt von Zeugen, Jurys und die menschliche Wahrnehmung enden. Zum Abschluss dieses Buches sollen drei Fälle zeigen, dass es im Gegensatz zum Fall O. J. Simpson auch Verbrechen gibt, die ohne Zirkus und Budenzauber ins Leben der Menschen einbrachen, um dann erstaunlich schnell wieder in Vergessenheit zu geraten. Die beiden ersten Verbrechen (Seifert und Denke) waren vielleicht zu schrecklich, als dass sie beim Kaminfeuer oder in Partylaune weitererzählt werden konnten. Hinzu kam, dass die Täter sehr bald starben. Deshalb konnten sich keine Legenden um sie bilden, da von ihnen so gut wie nichts bekannt war.
    Das dritte und letzte Verbrechen aus dieser Reihe (Räuber Kneißl) war nicht so grauenhaft, und wohl

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