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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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deshalb konnte es im süddeutschen Raum als Volksmärchen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts fortleben, obwohl sich die Taten rund hundert Jahre früher zugetragen hatten.
Der Himmel über Volkhoven: der Fall Seifert
    Es gibt Fallgeschichten, die sich einer kriminalistischen Auswertung entziehen, obwohl sie ganz offen daliegen. Selbst die Beweggründe des Täters lassen sich mit etwas Fantasie erahnen. Trotzdem bleibt am Ende nur ein Schicksalsscherbenhaufen. Der folgende Fall soll das zeigen. Er hat einen ganzen Stadtteil über Jahre in Atem gehalten. Und noch heute tut man gut daran, die älteren Bewohner in Köln-Volkhoven nicht auf den 11. Juni 1964 anzusprechen.
    Karl Kiehne war damals Leiter der Kölner Kriminalpolizei und berichtet:
    »Tatort war die in einem Vorort liegende katholische Volksschule … Zur Straße hin ist die Schule mit einer 1,50 Meter hohen Mauer, mit einem zweiflügeligen Eisentor und einer einflügeligen Eingangspforte abgeschlossen. Auf dem Hof istlinks ein massives altes Schulgebäude. Gegenüber liegt eine lang gestreckte eingeschossige Schulbaracke (Holz) mit vier Klassenräumen.«

Die bis heute von jedermann als »Baracken« bezeichneten Leichtbaukästen gibt es in einigen Kölner Schulen immer noch. Sie dienten in den Sechziger- und Siebzigerjahren der Erweiterung alter Schulen; manchmal waren sie auch die einzigen Gebäude.
    Im hier geschilderten Kriminalfall handelte es sich um eine damals so genannte Volksschule (entspricht unseren heutigen Klassen eins bis acht). Die Schule bestand aus einem Hof mit sieben Baracken, vier davon in Reihe, zwei durch einen Pavillon miteinander verbunden und eine einzeln stehend.
    Kriminaloberrat Kiehne berichtet weiter:
    »[Die Vierer-Schulbaracke; M. B.] hat außen sowie in den Klassenräumen große schwarze Flecken, die offenbar durch Hitzeeinwirkung entstanden sind. Im Flur der genannten Baracke war eine zirka 0,5 Quadratmeter große Blutlache sichtbar, kleinere Blutflecken waren auch am Boden vor der Eingangstür festzustellen. Gegenüber … liegt ein Schulpavillon mit zwei Klassenräumen. Vor ihm sind gärtnerische Anlagen, durch die ein gepflasterter Weg zum Schulhof führt. Ungefähr zwei Meter vor dem Treppeneingang zu diesem Pavillon war auf dem Boden ebenfalls eine große Blutlache zu sehen.
    Während ich mir ein Bild vom Ausmaß des Geschehens zu machen suchte, kamen zwei 13-jährige Schüler zu mir und übergaben mir einen Holzkeil, den sie an der erwähnten Eingangspforte zum Schulhof gefunden hatten. Sie schilderten, was sie gesehen hatten.«
    Einer der beiden Jungen war an diesem Tag Schülerlotse und sorgte dafür, dass die jüngeren Kinder morgens zwischen halb acht und acht Uhr sicher über die Straße und auf das Schulgelände kamen. Dann ging er nach Hause, weil er erst nachmittags Unterricht hatte.
    Der fleißige Junge kam dennoch gegen neun Uhr zum Kakao-Austeilen zurück in die Schule. Um 9.25 Uhr stand er mit zwei anderen Helfern allein auf dem Hof, abgesehen von einer Klasse, die am anderen Ende des Geländes turnte. Gerade wollten die drei Kinder damit beginnen, die Kakaoflaschen in die Klassenräume zu bringen, als ein Fremder auftauchte.
    »Um 9.30 Uhr erschien ein Mann an der Tür zum Schulhof«, berichtete der jugendliche Zeuge dem Kriminalbeamten. »Der Mann war mir unbekannt. Er war mit einem blauen Arbeitsanzug bekleidet. Auf dem Rücken trug er ein Insektenspritzgerät. Ich kenne ein solches Gerät durch unseren Garten.
    Der Mann kam durch das kleine Törchen. Das kann nicht abgeschlossen werden, da ist das Schloss kaputt … Außerdem hatte er einen Holzklotz, welchen er unter das kleine Törchen schob, als er es aufgemacht hatte. Der Holzklotz war keilförmig und hatte unten drunter Nägel. Ich habe jetzt zu dem Mann gesagt: ›Was machen Sie da?‹ Der Mann gab mir keine Antwort. Ich habe gedacht, dass er das Schloss von dem Törchen macht [repariert; M. B.]. Darum habe ich noch gesagt: ›Endlich wird mal das Schloss gemacht!‹ Dazu sagte er auch nichts, er schüttelte nur seinen Kopf.«
    Dann ging der Mann, es war Walter Seifert, acht Tage vor seinem 43. Geburtstag, auf die Turnlehrerin, Frau Langohr, zu und drehte den Hahn an seinem umgehängten Insektenspritzgerät auf. Die kleine Flamme, die vorher schon unter einem Gitter am Ende der Spritze gebrannt hatte, wurde meterlang. Die Lehrerin schrie »Feuer!«, als sie auch schon direkt von den Flammen getroffen wurde. Sie taumelte in ein Gebüsch und brach

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