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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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zwei Jahren ihren Sinn verloren, da keine Bank sie mehr einlösen konnte oder durfte.
    »Sieht man nicht mehr so oft«, brummelte der Tankstellenwächter im Südosten Manhattans, als sein Kunde mit einem Zehn-Dollar-Goldzertifikat den Sprit zahlen wollte.
    »Ich hab’ noch hundert Stück davon«, antwortete ihm der gut gekleidete Kunde mit deutschem Akzent. Tankwart Lyle nahm den Schein. Da er aber nicht wusste, ob seine Bank ein weiteres Mal Gnade vor Recht ergehen und das Zertifikat ausnahmsweise einlösen würde, schrieb er sich lieber die Nummer des Autos auf, aus dem der Kunde gestiegen war. Sie lautete: 4U13-41.
    Lyles siebter Sinn trug schon zwei Tage später Früchte. Die Registriernummer der Goldnote stammte aus dem Lindbergh-Lösegeld. Das Auto gehörte einem 34-jährigen Schreiner, wohnhaft in der Bronx, 222. Straße, Hausnummer 1279. Es war die Anschrift des deutschen Einwanderers Bruno Richard Hauptmann. Einen Tag später wurde er aus seinem Auto herausfestgenommen. »Was ist los?«, fragte er die Polizisten, »worum geht’s?«
    Auch ein zweites Goldzertifikat, das man ihm aus der Hosentasche zog, brachte Hauptmann nicht die erwünschte Erkenntnis. Im Polizeibüro der Lower West Side erklärten ihm Norman Schwarzkopf mit seinem Team aus New Jersey sowie einige New Yorker Cops, worum es ging.
    Mit einer Körpergröße von knapp 1,80 Meter war Hauptmann größer als die meisten US-Amerikaner. Er hatte hellbraune Haare. Damit passte auf ihn die grobe Beschreibung, die Condon von Cemetery John geliefert hatte. Sowohl Hauptmann als auch seine Ehefrau sagten aber aus, niemals in Hopewell gewesen zu sein und abends lieber Musik zu hören als in New Jersey durch regnerische Nächte zu streifen. Der Schreiner stritt jede Beteiligung an der Entführung ab. Das Geld habe er gespart, um sich gegen die Inflation zu schützen, und nun müsse er es eben loswerden. Als er um eine Handschriftenprobe gebeten wurde, willigte er sofort ein. »Das will ich gerne tun«, sagte Hauptmann, »weil es meine Unschuld beweisen wird.«
Kampf gegen Windmühlenflügel
    Wie viele andere, die ihre kleinen Laster bei einer Vernehmung verbergen wollen, hatte auch Hauptmann gelogen. Als am 20. September seine Wohn- und Arbeitsräume durchsucht wurden, fand sich dort anstelle der angeblich gesparten 300 Dollar der 46fache Betrag – sauber versteckt in Holzlöchern, Ritzen und Spalten. Es waren ausnahmslos Scheine, die zum Lindbergh-Lösegeld gehörten. Damit saß Hauptmann in der Klemme.
    Aus heutiger Sicht lieferte er jedoch eine überaus interessante Erklärung für die Herkunft des Geldes. Es gehöre nicht ihm, sondern seinem Kollegen Isidor Fish, der ein Geldpaket bei ihm zwischengelagert habe. Fish sei am Nikolaustag1933 nach Deutschland gefahren und seither nicht zurückgekehrt. Als das Paket eines Tages aus Versehen nass geworden sei, sagte Hauptmann, habe er es geöffnet. Da Fish ihm ohnehin Geld schuldete, habe er sich bedient und den Rest versteckt. Im März 1934 sei Fish in Leipzig gestorben; das restliche Geld habe er dessen Verwandten nicht schicken wollen. Immerhin, eines Diebstahls war Hauptmann überführt. Dazu stand Hauptmann auch im Prozess, in dem er überdies berichtete, der Sohn eines gewalttätigen Trinkers zu sein.
    Doch es blieb nicht bei dem bereits gefundenen Geld. In weiteren Verstecken im Haus tauchte unter anderem auch eine kleine Pistole auf. Aus Deutschland kam die Information, Hauptmann habe dort wegen eines bewaffneten Überfalls im Gefängnis gesessen und sei einmal sogar in das Haus des Bürgermeisters von Kamenz eingebrochen. Trotz allem war sein Anwalt, James Fawcett, von der Unschuld Hauptmanns überzeugt. Der Bundesstaatsanwalt sah das aber anders. Als er gefragt wurde, ob er an die Schuld Hauptmanns glaube, antwortete er: »Ich wusste gar nicht, dass irgendwer nicht davon überzeugt wäre.«
    Abgesehen von Meinungen, die einen Kriminalfall nicht voranbringen, gab es auch einige wirkliche Spuren. So hatten die Polizisten, wenn auch spät, Cemetery Johns Schuhspuren ausgemessen, nachdem er über die Friedhöfe gegangen war. Außerdem wurden zwei Schriftexperten hinzugezogen, die Hauptmanns Schriftprobe mit den offensichtlich verstellten und krakeligen Entführerbriefen vergleichen sollten. Die Experten waren Albert Osborn und sein gleichnamiger Sohn. Die beiden Osborns kamen aber nicht voran, auch nicht, als sie den Rechtshänder Hauptmann baten, mit links zu schreiben. Vater Osborn gab zuletzt zu

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