MORDMETHODEN
schlechten Zeiten« (O-Ton Condon) doch nur 50 000 Dollar zahlen. Und zweitens stellte ihm Cemetery John auf Nachfrage hin allen Ernstes eine Quittung aus.
Das Kind, so stand außerdem auf der Quittung, sei auf einem Boot, der »Nelly«. »Der Junge ist auf Bood Nelly. Es ist ein kleines Bood 8,5 Meter lang, zwei Personen anbood. Siesind unschuldig. Das Bood ist zwischen Horseneck Beach und Gay Head bei Elisabeth Island.«
Die haarsträubenden Zufälle nahmen kein Ende. Der angegebene Fundort des Kindes lag ziemlich genau da, wo die frisch verheirateten Lindberghs ihre Flitterwochen verbracht hatten. Die »Nelly« wurde allerdings nie gefunden.
Der Pädagoge kommt ins Schwitzen
All das brachte John Condon in größte Schwierigkeiten. Nicht nur, dass Lindbergh ihm von vornherein misstraut hatte. Der schreibende Pädagoge war auch bei allen Schlüsselereignissen sein einziger Gewährsmann. Niemand hatte die Verhandlungen auf dem ersten Friedhof mitgehört, und niemand hatte die Italienerin auf dem Flohmarkt gesehen – außer Condon. Beim ersten Telefongespräch, das bei ihm einging, war Condon nicht zu Hause, und seine Frau hob ab (sie erkannte einen italienischen Akzent des Anrufers). Beim zweiten Mal ging Condon selbst ans Telefon und hörte eine deutsch gefärbte Stimme. Auch hierfür gab es keine Zeugen. Nur der Taxifahrer hatte einen großen blonden Mann mit deutschem Akzent getroffen. Vielleicht ein Komplize Condons?
Auch dass »Red« Johnson, der Liebhaber des Kindermädchens, ein Segler aus Skandinavien war, konnte Condon im Wohnzimmer der Lindberghs aufgeschnappt und – mangels eigener Ideen – auf Cemetery John übertragen haben. Dass aber das Boot mit dem kleinen Charles angeblich genau dort liegen sollte, wo die Lindberghs einst schöne Tage verlebt hatten, war schon ein seltsamer Zufall. Denn Condon konnte diese Information unmöglich ermittelt haben. Oder hatte er in Hopewell ein Foto der Flitterwöchner gesehen und die Hausangestellten danach befragt?
Beweggründe für die Tat hatte Condon auch. Vielleicht wollte er sich anfangs nur wichtig machen. Nachdem er aber erkannt hatte, wie günstig die Gelegenheit war, hatte er es aufeine echte Geldübergabe ankommen lassen. Er benötigte für die gesamte Aktion immerhin nur einen einzigen, höchstens zwei Mittäter!
Vielleicht war Condon aber gar nicht in die Geldübergabe hineingerutscht, sondern hatte es von vornherein auf die 50 000 Dollar abgesehen. Dass er den Betrag später von 70 000 Dollar wieder »herunterhandelte«, musste ihn in Lindberghs Augen vertrauenswürdig machen – ein weiterer schlauer Trick.
Spätestens als Condon merkte, dass Lindbergh nicht mit der Polizei zusammenarbeiten wollte, war es für ihn ein Leichtes, die Briefe zu fälschen und seinen Partner in verschiedenen Rollen auftreten zu lassen. Das Risiko dabei war gleich null, denn Condon konnte jederzeit aufhören und behaupten, keine weitere Nachricht erhalten zu haben. Er selbst hatte also die Notbremse in der Hand. Dass er sie nie gezogen hat, beweist entweder seine Schläue, seinen Leichtsinn oder seine Unschuld.
Der Polizei konnte niemand einen Vorwurf machen. Lindbergh hatte die Ermittler in allen entscheidenden Situationen derart abgeblockt, dass es nun an ihm war, das Rätsel des Falls zu lösen.
Goldscheine
Trauer und Zorn waren weltweit riesengroß, als die Leiche des kleinen Lindy am 12. Mai durch den Lastwagenfahrer William Allen gefunden wurde. Allen brachte es sofort auf den Punkt: »Ich hoffe nur, dass sie den Kerl erwischen, der das getan hat. Man kann ihm gar nichts antun, was er nicht verdient hätte.«
Eine gute Seite hatte der Fund der Leiche: Polizeichef Norman Schwarzkopf konnte nun endlich ohne die Einmischung Lindberghs weiter arbeiten. Denn das Agargument des Colonels, das Wohl des Kindes sei in Gefahr, wenn man seinen Befehlen nicht gehorche, hatte sich erledigt.
Charles und Anne Lindbergh zogen nun ganz nach Englewood,und die Polizei konnte das Tatgeschehen in Hopewell rekonstruieren. Dazu baute man unter anderem die Leiter nach. Ein Beamter musste auf ihr bis in den ersten Stock klettern, ein 14 Kilogramm schweres Paket aus der Kinderwiege holen und wieder hinuntersteigen. Den Dummy sollte er in einer nahe der Kinderleiche gefundenen Leinentasche transportieren. Und nun erst, nach wochenlangem Hin und Her, ging den Ermittlern ein Licht auf: Es war fast unmöglich, mit der Tasche die Leiter hinunterzuklettern. Erstens schlug das Gewicht
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