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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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die näheren Anweisungen für die Geldübergabe. Condon sollte mit der Jerome-Avenue-Straßenbahn bis zur Endhaltestelle fahren. Diese befand sich ebenfalls in der Bronx in Richtung des Van-Cortland-Parks. Vor einer geschlossenen Würstchenbude läge unter einem Stein eine weitere Nachricht.
    Condon überzeugte Breckinridge, der als Aufpasser eingesetzt war, daheim zu bleiben, und machte sich stattdessen mit seinem Freund Al Reich per Auto auf den Weg. Der Zettel vor der Würstchenbude schickte die beiden auf die andere Straßenseite. Dort sollten sie entlang des Zauns des Woodlawn-Friedhofs und dann immer weiter geradeaus fahren. Zum Glück stieg Condon trotz der Kälte aus dem Auto und ging zu Fuß weiter. Andernfalls hätte er die Hand verpasst, die plötzlich ein weißes Taschentuch durch die Stäbe des Zauns hielt.
    Der Mann mit dem Taschentuch kletterte über den Zaun,und nach einigem Hin und Her kam er endlich zur Sache. Condon berichtete später, der Mann habe gesagt, er sei – ausgerechnet – ein Segler aus Skandinavien. Allerdings meinte Condon, dieser habe einen eindeutig deutschen Akzent gehabt. Auf Condons Frage: »Bist du Deutscher?«, erhielt er aber keine Antwort. Um sich nicht festlegen zu müssen, tauften die Ermittler den Unbekannten später »Cemetery John« (»Friedhofs-John«).
    »John« kam ins Plaudern und erzählte noch, dass das Entführerteam aus insgesamt zwei Frauen und vier Männern bestehe. Auch Condon tat, was er konnte, und versuchte unter anderem, das Lösegeld auf die ursprünglich verlangten 50 000 Dollar herunterzuhandeln. Der Entführer lehnte das aber mit der Begründung ab, sein Chef würde das nicht gestatten. Goldene Zeiten, in denen polizeitaktisch unbelastete Pädagogen bei Eiseskälte nächtliche Plauderstündchen mit Entführern einlegen konnten!
    Die Männer kamen überein, dass Condon das Geld besorgen und dann eine Anzeige in die Bronx Home News setzen sollte. Die Polizei hatte bis zu diesem Moment keinen Einfluss und keinerlei Kontrolle auf das Verhandlungsgeschehen: Sie wusste schlicht von nichts. Condon war, abgesehen von dem im Auto wartenden Freund, der einzige Zeuge.
    Wäre es nach Lindbergh gegangen, hätte das auch so bleiben sollen. Doch mittlerweile hatte sich Norman Schwarzkopf wieder aufgerappelt und setzte zumindest durch, dass die Seriennummern der Lösegeldscheine aufgezeichnet werden sollten. Als auch ein von Präsident Hoover benannter Banker riet, die Nummern aufzuschreiben, weil kein Entführer der Welt dies bei der Übergabe nachprüfen könne, gab Lindbergh ausnahmsweise Ruhe und erlaubte das polizeiliche Standardverfahren. Allerdings passten nur 50 000 Dollar in die vorgeschriebene Holzkiste. Vierhundert Fünfzig-Dollar-Noten (in Form von Goldzertifikaten) wurden in einer der für die USA typischen braunen Papiertüten verpackt.
    Fast eine Woche später, am 19. März, hielt sich Dr. Condon auf einem Flohmarkt auf und verkaufte einige seiner alten Geigen zugunsten des Baus einer Kapelle. Auf einmal stand eine Italienerin vor ihm und sagte: »Es kann nichts geschehen, solange die Aufregung nicht vorbei ist. Hier ist zu viel öffentliche Aufmerksamkeit. Wir treffen uns Donnerstagnachmittag um fünf Uhr am Tuckahoe-Depot. Ich werde Ihnen dort eine Nachricht überbringen.« Die Polizei wurde nicht zur Verfolgung der Frau gerufen. Lindbergh und Condon wollten offenbar weder die Kreise von Cemetery John noch der Flohmarkt-Italienerin stören. Dennoch tauchten donnerstags weder er noch sie am Depot auf.
    Erst weitere zwei Wochen später, mittlerweile war es der 2. April, erreichte Lindbergh die letzte Nachricht. Er war vorgewarnt und wartete deshalb mit dem Geld bereits bei Condon. Die Polizei von New Jersey hatte mehrmals höflich angefragt, ob Lindbergh eine Observierung der Geldübergabe gestatte. Der Colonel verweigerte dies und verschwieg auch der New Yorker Polizei den Zeitpunkt der Übergabe.
    Nun machten sich Lindbergh und Condon auf den beschriebenen Weg. In der Nähe des St.-Raymond-Friedhofs befand sich ein Blumenladen. Dort lag auf einer Bank ein Stein und darunter eine Nachricht: Man solle die Whitemore Avenue Richtung Süden gehen. Kaum marschierten die beiden los, rief Cemetery John auch schon »Hey, Doktor!«. Er stand, seinem Namen entsprechend, an einem Grabstein auf dem Friedhof. Da John das Baby nicht bei sich hatte, kam Lindbergh nach kurzer Verhandlung in den Genuss von zwei Sonderleistungen: Erstens musste er »wegen der

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