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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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Besonderheit der alten Nägel war, dass sie rosteten, wenn sie im Freien verwendet wurden, denn sie waren aus unvernickeltem Eisen und gegen Umwelteinflüsse nicht geschützt.
    Doch die Nagellöcher in Spur 16 der Leiter zeigten keinerlei Rostspuren; folglich stammte das Brett aus einem Innenraum.
    »Sollten Sie einen Verdächtigen finden«, sagte Holzkenner Koehler zu Schwarzkopf, »dann schauen Sie nach, ob sich im Inneren seiner Räume irgendwo Bretter mit eckigen Nagellöchern finden. Vielleicht sogar Holz von derselben Art, aus der auch die Leiter hergestellt ist.«
    Koehler baute nun die komplette Leiter auseinander und schaute sich alle Teilstücke unter einem Vergrößerungsglas an. Dabei fand er zwei Holzstücke, die zusammenpassten, für den Bau der Leiter aber offenbar auseinander gesägt worden waren. Es war Holz einer kalifornischen Kiefer, und es wies ein durchgehendes Kratz- oder Sägemuster auf. Diese Sägespuren passten wiederum auf eine industrielle Sägemaschine mit sechs Messern in der Senkrechten und acht Messern in der Waagerechten. Das Holz, so rechnete Koehler anhand der Kratzer weiter aus, musste mit einer Geschwindigkeit von gut vier Stundenkilometern durch die Maschine gezogen worden sein. Das einzige Problem an dieser Spur war, dass es allein an der Atlantikküste 1600 Sägewerke gab.
    Koehler gab aber nicht auf. Er schrieb alle Sägewerke an, fragte nach deren Schneidemaschinen und ließ sich von einigen Firmen gesägte Holzproben zusenden. In South Carolina fand er die gesuchte Säge. Die Firma belieferte eine Holzhandlung in der Bronx. Der erste Kreis war damit geschlossen.
    Der zweite schloss sich, als Koehler am 19. September 1934 in den Dielenbrettern der Hauptmann’schen Wohnung eine Lücke fand (Abb. 11 / 12 ). Die Maserung der Leiste, aus der das Holz herausgesägt war, kam Koehler bekannt vor: Sie ähnelte dem Holzteil Nummer 16, in dem er die vierkantigen Nagellöcher gefunden hatte. Als er Stück 16 dann in das Loch legte, war er sich sicher: Dieses Leiterteil war ein Teil von Hauptmanns Boden gewesen. Es schloss zwar weder direkt an das Ende der noch im Boden verbliebenen Leiste noch an die Nachbarleiste an, sondern war etwas kleiner (Abb. 11 / 12 ). Das konnte aber gut sein, denn warum sollte der Schreiner nicht die Längs- und Kopfseite abgesägt haben, um sie für die Leiter passend zu machen? Außerdem war in der benachbarten Planke eine deutliche Sägekerbe zu sehen. Diese stimmte genau mit der Schnittkante überein, die entstehen musste, wenn jemand das betreffende Holzstück 16 auf Leiterbreite sägte.
    »Es gab so viele verschiedene Dinge an der Leiter zu sehen«, schrieb Koehler später in einem wissenschaftlichen Artikel, »dass ich mir fast sicher war, dass sie, wenn nicht eine bestimmte Spur, so doch den einen oder sogar mehrere wichtige Hinweise liefern würde.«
    Schlag Nummer drei gegen Hauptmann kam, als in seiner Wohnung auf einer Schrankseitenwand – Frau Hauptmann war mittlerweile auf Empfehlung der Polizei ausgezogen – die Telefonnummer und Adresse des Unterhändlers John Condon entdeckt wurde. Sie war mit Bleistift an eine versteckte Stelle geschrieben, und dafür gab es nun endgültig keine Ausrede mehr. Der Rest ging schnell.
    Hauptmann landete auf dem elektrischen Stuhl. Als sein Körper als Häftling 17 400 am 3. April 1936 in einem langen, schwarz glänzenden Leichenwagen aus dem Staatsgefängnis Trenton gefahren wurde, verabschiedete ihn eine neugierige Menge. Auf einem letzten Foto schwenkt ein Zuschauer seinen Hut in Richtung Leichenwagen, ein anderer hat sich ineine Baumgabel gelehnt, um mehr zu sehen. Dann schließt sich das Tor.
Was die Jury nicht interessierte
    Das Volk war mit dem Ausgang der Verhandlung zufrieden. Andere waren es nicht. »Der ganze Prozess«, so Eleanor Roosevelt, die Frau des seit 1933 amtierenden US-Präsidenten, »hat bei mir ein großes Fragezeichen hinterlassen.« Auch der damals bekannteste Anwalt der USA, Clarence Darrow, fand, dass die Beweise ungenügend waren. »Haben Sie irgendetwas gesehen, das auf einen Mord [durch Hauptmann; M. B.] hindeutet?«, fragte er herausfordernd. »Ich nicht.«
    Sogar die US-Anwaltskammer beurteilte den Prozesshergang, vor allem aber das Verhalten der Staatsanwälte und des Verteidigers, als zu voreingenommen und aufgeblasen. Sie verkündete, dass »das Leben unnötig zu einem billigen Gut wird, wenn ein einfacher Prozess zu einer öffentlichen Show ausartet«.
    Es gab wirklich noch

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