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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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Protokoll, er halte Hauptmann für den Schreiber, Sohn Osborn war gegenteiliger Ansicht. Er fand, dass es neben einigen Übereinstimmungen auch deutliche Unterschiede gäbe.
    Woran bis heute niemand gedacht hat, ist, einem deutschenLeser den ersten Erpresserbrief zu zeigen. Dabei fällt sofort auf, dass in den Briefen einfache englische Worte durch den entsprechenden deutschen Begriff ersetzt wurden: »good« durch »gut« und »made out« durch »made aus«. Außerdem wird eine Lautvertauschung durchgehalten: Aus »anything« macht der Schreiber »anyding«. Jeder, der Englisch lernt, wird aber gerade diese einfachen Wörter als erste richtig schreiben. Es mutet daher sehr merkwürdig an, dass genau solche Wörter, die ein Amerikaner in Deutschland aufgeschnappt hat, nun auf einmal scheinbar eingedeutscht sind. Andere Begriffe wie »ransom« (Lösegeld) sind hingegen richtig geschrieben, obwohl sie nicht nur schwieriger zu lernen, sondern auch leichter falsch zu schreiben sind. Streng genommen spricht diese Verdrehung dafür, dass irgendjemand einen deutschen Akzent simulieren wollte. Er kannte aber nur wenige, zum Teil verballhornte deutsche Wörter und konnte so nur eine schlechte Nachahmung gerade der einfachen Wörter zuwege bringen.
    Die Schriftexperten wurden sich auch vor Gericht nicht einig. Da aber eine Entscheidung gefällt werden musste, wurde beschlossen, dass die Schrift von Hauptmann derjenigen auf den Briefen entspräche. Das Problem war damit erledigt.
    Am 25. September wurde Lindbergh gefragt, ob er die Stimme wiedererkennen könne, die auf dem Friedhof aus etwa 70 Metern Entfernung »Hey, Doktor« gerufen hatte. Der Colonel war sich zwar nicht sicher, unternahm den Test aber am kommenden Tag. Hauptmann musste mehrmals »Hey, Doktor« rufen, und nach einigen Versuchen schien sich Lindbergh sicher zu sein. Im Oktober sagte er aus, die Stimme von Cemetery John sei identisch mit der Hauptmanns. Versuchen Sie es einmal selbst: Stellen Sie eine Person, deren Stimme sie nie zuvor gehört haben, 70 Schritt von sich entfernt in den Wald, und lassen Sie sie einmal »Hey, hallo!« rufen. Dann warten sie drei Jahre und wiederholen das Experiment mit fünf Personen, darunter ihr ehemaliger Kandidat. Werden Sie die Stimme erkennen? Condon hielt sich dabei zurück, angeblich, »weil dassonst den elektrischen Stuhl für den Angeklagten bedeuten würde«, vielleicht aber auch, weil er sich nicht sicher war.
    Hauptmann und sein Verteidiger freuten sich angesichts der unsicheren Beweislage jedoch zu früh. Der alles entscheidende Sachbeweis tauchte erst jetzt auf. Es war ein Stück nicht vorhandenen Holzes.
Ein Loch löst den Fall, aber eine Erklärungslücke bleibt
    Unter den wenigen brauchbaren Tatortspuren war die selbst gebaute Leiter sicher die auffälligste. Wie sich herausstellte, war sie auch die beste. Untersucht wurde sie von Arthur Koehler.
    Koehler war bei der staatlichen Holzuntersuchungsstelle in Madison angestellt und hatte Norman Schwarzkopf umgehend seine Hilfe angeboten, als er hörte, dass Holz im Spiel sei. Doch erst nach dem Fund der Leiche sandte ihm die Polizei einige Leiterstücke zur Begutachtung. Man hatte damit gewartet, bis alle Fingerspuren auf der Leiter ausgewertet waren. Zudem konnte die Polizei nach dem Leichenfund wieder normal arbeiten, weil Lindbergh nun die Ermittlungen weniger stark blockierte. In der Tat gab es auf der Leiter zahlreiche Fingerspuren, aber, wie sich viel später zeigte, keine einzige von Bruno Hauptmann.
    Im Februar 1933 untersuchte Koehler, nachdem er einzelne Stücke bereits begutachtet hatte, die gesamte Leiter. Das Holz, sagte er, wurde mit einer schlecht geschliffenen und ebenso schlecht gezähnten Säge von Hand zugeschnitten. Die Ecken hatte jemand mit einer stumpfen und schartigen Klinge glatt gezogen. Keine Profiarbeit also.
    Interessant war ein Stück Leiterholz, das schon früher mit der Spurennummer »16« versehen worden war. In Holzstück 16 fanden sich Löcher von vier alten Nägeln, die wieder herausgezogen worden waren.
    Das Besondere an diesen Löchern war ihr quadratischerRand. Jedes der Löcher musste von einem Nagel mit vierkantiger Spitze stammen. Solche Nägel gab es in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts kaum noch, denn vierkantige Nägel waren handgemacht. Die neuen, industriell gefertigten Nägel, die wir auch heute noch benutzen, haben einen runden Querschnitt und waren seinerzeit auch schon auf dem Markt. Eine weitere

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