MORDMETHODEN
Ermittlungen eigentlich ging: Ihr Gatte stehe unter dem Verdacht, schwere sexuelle Gewalt gegen mehrere junge Frauen ausgeübt zu haben. Karla war über diese Aussage erleichtert, da von Mord vorerst nicht die Rede war. Offenbar war Paul nur als der »Scarborough Rapist« enttarnt worden! In dieser Situation rutschte Karla heraus, dass sie das alles nicht sonderlich schockieren oder überraschen würde und dass sie schon geahnt hätte, dass die Polizei bald wiederkommen würde.
Diese Aussage ergab für die Beamten überhaupt keinen Sinn. Denn warum sollten die Ermittler so bald zur geprügelten Ehefrau zurückkehren, und warum wunderte es das arme Mauerblümchen nicht, dass ihr Mann ein Seriensexualstraftäter sein sollte?
Die Polizisten wunderten sich außerdem, dass Karla sehr unwirsch wurde, als sie Fragen stellten, bei denen es nicht mehr nur um die Vergewaltigungen in Scarborough ging, sondern auch um die Morde in Port Dalhousie. Als die Befragte sich auch noch danach erkundigte, wie lange man für sexuelle Straftaten ins Gefängnis komme, hatte sie den Bogen überspannt. Die Beamten baten sie um ihre Fingerabdrücke.
Nun sprudelte es aus Karla hervor. Sie hätte Paul noch nie leiden können und ihn auch nicht heiraten wollen; das sei nur aus Pflichtgefühl geschehen. Erst seit sie ausgezogen sei, gehees ihr wieder besser. Ihr Leben zuvor sei eine einzige Qual gewesen. So simpel und kindisch diese Verteidigungs- und Anschuldigungsstrategie auch sein mochte, sie hinterließ ihre Spuren in den Akten. Und so konnte Karla ein wenig davon profitieren, dass sie zuletzt wirklich schwer misshandelt worden war. Man glaubte ihr zwar nicht mehr jedes Wort, hielt es aber doch für unwahrscheinlich, dass sie, ein Opfer, an den Taten beteiligt gewesen sein könnte.
Kaum hatte die Polizei die Wohnung verlassen, griff Karla zum Telefon, um mit einem ihr entfernt bekannten Strafverteidiger einen Termin zu vereinbaren. Etwas später rief sie auch die Polizei an und bat die Beamten in dreist gespielter Naivität, sie am 13. Februar 1993 zu diesem Anwalt zu fahren. Die Polizisten waren zwar nicht überzeugt, dass Karla wirklich ein naives Geschöpf war, das die Polizei als Taxidienst nutzte. Andererseits wollten sich die Beamten nicht die Chance entgehen lassen, ihr das eine oder andere Detail zu entlocken, das für die Ermittlungen wichtig sein mochte.
Aber diese Rechnung ging nicht auf. Als die Polizisten Karla wieder zu Hause absetzten, hatten sie nichts aus ihr herausbekommen. Der schlimmste Patzer während Karlas Geplapper fiel den Beamten sogar erst auf, als die spätere »Abmachung mit dem Teufel« schon in Gang gekommen war. Karla erzählte den Beamten auf der Fahrt, wie schön und romantisch ihre Hochzeit gewesen sei. Das passte mit der früheren Aussage einer Vermählung aus Pflichtgefühl und einem stets prügelnden Paul kaum zusammen. Doch die perplexen Polizisten erkannten das vorläufig nicht, da sie noch zu sehr an der Rollenverteilung von bösem Täter und hilflosem Opfer klebten.
Ganz anders ging es Karlas Anwalt George Walker. Als er nach der ersten Besprechung mit ihr aus seinem Büro kam, war er totenblass. Es hatte ihm die Sprache verschlagen, sodass er einige Minuten lang kein Wort herausbringen konnte. Karla Homolka hatte ihm unerwartet und sachlich gestanden,sie sei sowohl an Tammy Lees Tod beteiligt als auch bei der Ermordung zweier der drei verwest aufgefundenen Teenager zugegen gewesen. Außerdem berichtete sie von Videobändern, auf denen Sexszenen mit den später zu Tode Gekommenen zu sehen seien. Wo sich die Bänder befänden, wusste sie nicht. Sie habe im alten Versteck in der Garage nachgeschaut, um sie mitzunehmen, als sie Paul verließ, aber sie dort nicht mehr gefunden.
Auf einmal geht alles zu schnell
Karla arbeitete sich immer weiter in die Rolle der misshandelten Frau hinein. Sie las Bücher zum Thema und ließ sich von den Polizisten erzählen, welche Krankheiten auftreten, wenn Frauen lange unter der Herrschaft eines gewalttätigen Mannes leben.
Zudem hatte sie Glück. Nach ihrem Gespräch mit George Walker erhielt dieser nächtlichen Besuch. Es waren Beamte einer anderen Polizeiabteilung. Sie sagten dem Anwalt, dass die Behörden bereit seien, einen Deal mit Karla zu machen. Wenn sie alles über Paul erzähle und ein volles Geständnis ablege, werde sie bei der Strafzumessung gnädig bedacht werden. (Im deutschsprachigen Raum wäre eine solche Vereinbarung kaum möglich. In Kanada
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