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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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Leslie Mahaffy zusah, wie die Beweisstücke verbrannten. »Ich habe an Kristen gedacht und ihr in Gedanken gesagt, dass sie sich jetzt keine Sorgen mehr zu machen braucht. Niemand kann die Bänder jemals wieder sehen.«
    »Was für ein Tag« (»Quite a day«), ergänzte Leslies Mutter leise.
Nachtrag: Dunkle Zeiten
    Dieser traurige Fall soll im Wesentlichen für sich selbst sprechen. Am Anfang wurde die Frage gestellt, wer die Todesstrafe verdient, und mit dieser Frage soll dieses Kapitel auch enden. Eine Antwort darauf gibt es nicht.
    Es ist heute jedem klar, dass ein verkorkster Lebensbeginn dazu beitragen kann, dass ein Mensch zum Verbrecher wird. Oft genug stehen die schlimmsten Gewalttäter auch wirklich von Anfang an im Abseits. Jeffrey Dahmer zum Beispiel war schon lange ein verschlossener Mensch. Sein Vater, ein ebenso stiller wie in sich gekehrter Chemiker, glaubt bis heute, dass sein Jeff nur das schreckliche Abbild seiner selbst gewesen sei.Einer, der die Welt kontrollieren möchte – genauso wie er, sein Vater, es in seinen Kolben und Reagenzgläsern auch tut.
    Ähnlich früh sonderte sich Karl Denke (s. S. 302ff.) von der Welt ab. Man hielt ihn schon als Kind für dumm und schwerfällig, und er wurde mehr und mehr zum Außenseiter. Doch wie viel davon seine Umwelt und wie viel seine Erbanlagen bewirkt haben, werden wir nie erfahren. War er erst ein komischer Mensch und wurde deshalb verstoßen, oder wurde er so lange verstoßen, bis er keinen Anschluss mehr fand? Oder war er einfach geistig krank?
    Sicher ist nur, dass es genügend Kauze, Tüftler, Nerds und Freaks gibt, die genauso seltsam und abgeschottet leben können wie viele der hier vorgestellten Täter. Trotzdem werden aus ihnen keine Verbrecher. Ist die Grenze zwischen Gut und Böse vielleicht einfach so schmal, dass wir sie nicht erkennen können?
    Wie nahe ist beispielsweise der Experte für Telekommunikation dem Computerpiraten, und was genau unterscheidet den im Labor eingeschlossenen Forscher innerlich vom Bombenbastler in seiner Kellerwerkstatt? Wie fließend sind die Grenzen vom rempelnden, fluchenden Sportler über den gewalttätigen Ehemann bis zum impulsiv-eifersüchtigen Beziehungsmörder? Wie viele Menschen hat das Mauerblümchen in Gedanken schon hingeschlachtet, und wie viele Heuschober hat es angezündet? Warum lieben die Menschen Kriminalromane und Fernsehkrimis so sehr?
    Wir wissen es nicht. Doch wenn uns wieder einmal ein verbrecherischer Kauz in die Quere kommt, dann muss er weiterhin um sein Leben fürchten. Aber unser Hang, ihm die Todesstrafe zu wünschen, ist sinnlos, denn selbst bei unheilbar kranken Tätern würde es schon genügen, sie einzusperren.
    Einer von ihnen war der zeitweilige Kommandant der Konzentrationslager in Auschwitz (1940–1943), Rudolf Höß. Er war ein verschrobener und auf seine Art gefühlloser Sonderling,ohne dass irgendwer das erkannte. Sein Traumberuf war Landwirt, und vor seiner Karriere in der SS sowie kurz vor seiner Enttarnung nach Kriegsende hat er mit Leidenschaft als Bauer gearbeitet.
    Seiner Frau erzählte Höß nichts von seinen Gefühlen. Er konnte sich aber mächtig darüber aufregen, dass die »hygienischen Bedingungen« in seinem Lager sehr schlecht waren und die Wärter die Häftlinge misshandelten. Er versuchte sogar mehrfach, besseres Personal zu erhalten, was ihm aber nicht bewilligt wurde.
    Ebenso ärgerlich fand er es, wenn Häftlinge entkamen, nicht genügend Baumaterial für die Lagerzäune aufzutreiben war oder faule Hundeführer nach Auschwitz geschickt wurden. Andererseits hegte er eine geradezu kindliche Freundschaft zu den »Zigeunern« in seinem Lager, weil sie sich so unbefangen und spielerisch benahmen. Das hinderte Höß aber nicht, bei deren Vergasung persönlich zuzuschauen, die er als befehlsgegeben hinnahm und entsprechend organisierte.
    Seien wir ehrlich: All das passt nicht zusammen und ist auch nicht zu begreifen.
    Einige Aussagen des 1947 hingerichteten Höß sollen belegen, wie seltsam und unklar die Welt wird, wenn man Ohren und Augen an den Rand des Randes richtet. Seine Worte sollen auch zeigen, dass die Hinrichtung von Mördern wie Höß nur der hilflose Versuch ist, das Hintergrundrauschen unseres Daseins ein bisschen leiser zu stellen.
    »Spielgefährten … hatte ich [als Kind; M. B.] gar nicht«, schreibt Höß in seinen Lebenserinnerungen. »So hatte es mir der ganz in der Nähe beginnende große Wald mit den hohen Schwarztannen angetan … Ein

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