Mordrausch
Der Van näherte sich einer roten Ampel. Er überfuhr sie, weil keine Autos kamen, bog nach links ab und wandte sich nach Westen, dann nach rechts und wieder nach links. Schließlich war er auf dem Highway 13 in Richtung Flughafen.
Joe Mack zog einen Parkschein und stellte den Wagen ganz oben in der Parkgarage ab. Er wies Jill MacBride an: »Kommen Sie hoch und verschwinden Sie nach hinten.«
Sie kletterte aus dem Fußraum und zwischen den Sitzen hindurch.
»Legen Sie sich hin. Ich steige aus und rufe jemanden an. Wenn Sie den Kopf heben oder zu entkommen versuchen, bringe ich Sie um. Wenn Sie hierbleiben, ist alles in Ordnung. Verstanden?«
»Ja …«
Joe Mack stieg aus, holte das Handy aus seiner Tasche und rief Lyle Mack an. Als dieser sich meldete, sagte Joe: »Mann, ich stecke in der Scheiße.«
Er erzählte Lyle, was passiert war. »Sie wissen alles, sogar die Sache mit dem Haarschnitt. Sie haben mich.«
»Du hast eine Frau entführt, du Vollidiot?«, brüllte Lyle ihn an. »Vielleicht haben sie dich angelogen. Aber jetzt kriegen sie dich auf jeden Fall wegen der Entführung dran.«
»Ich hab sie nicht entführt. Sie ist hier im Van. Ihr geht’s gut. Ich lasse sie laufen«, versprach Joe Mack.
»Mach lieber nichts«, entgegnete Lyle Mack. »Bleib, wo du bist, und behalt sie bei dir. Ich rufe Cappy an. Der soll dich abholen. Und anschließend muss ich mit den Bullen telefonieren.«
»Warum?«
»Um dich zu verpfeifen, du Trottel. Wenn ich das nicht tue, kriegen sie mich auch. Ich ruf sie an und erzähl ihnen, dass du dich gemeldet hast, aber ich verrate ihnen nicht, wo du bist.«
»Und was ist mit mir?«
»Wie du neulich gesagt hast: Du bist unterwegs nach Mexiko. Oder nach Panama. Verschwinde, Mann.«
Lyle Mack holte sein sauberes Handy aus der Tasche seiner alten Armeeuniform ganz hinten im Schrank und rief Caprice Garner an.
»Mach ich, das kostet noch mal fünf Riesen«, sagte Cappy, nachdem Lyle Mack ihm die Situation erklärt hatte. Cappy probierte gerade seinen neuen Van aus.
»Fünf Riesen, in Ordnung. Aber die muss ich dir erst mal schuldig bleiben. Wir haben das Zeug aus dem Krankenhaus, das ist mehr wert als fünf Riesen. Du musst dich gedulden, bis wir es losschlagen können.«
»Ich werde warten. Jedenfalls eine Weile.«
»Abgemacht«, sagte Lyle Mack, steckte das Handy in die Tasche und rief seinen Anwalt über den Festnetzanschluss an.
Nachdem sie sich zwei Minuten unterhalten hatten, sagte der Anwalt: »Im Moment will ich nicht mehr wissen. Warten Sie, bis die Lage sich beruhigt hat, dann kommen Sie zu mir.«
Viel half das nicht, dachte Lyle Mack. Er begann, auf und ab zu laufen wie ein Tiger im Käfig. Möglicherweise hatte Joe ihnen das Genick gebrochen.
Joe Mack versuchte, Jill MacBride zu beruhigen: »Ich tu Ihnen nichts. Die Bullen wollen mir was anhängen. Ich bin geflüchtet und hab mir in meiner Panik Sie geschnappt. Das hätte ich nicht machen sollen. Jetzt sitze ich deswegen in der Scheiße.«
»Wenn Sie mich gehen lassen, sage ich nicht gegen Sie aus«, erklärte Jill MacBride.
Joe Mack mochte nicht der Hellste sein, aber sogar er merkte, dass sie log. Fast hätte er gelacht. »Sie verpfeifen mich, sobald Sie frei sind. Ich weiß das, Sie wissen das … Wenn mein Kumpel da ist, machen wir uns auf den Weg nach Kanada. Da oben gibt’s gute Jobs, und niemand fragt, wer man ist. Noch ein bisschen Geduld, dann können Sie den Bullen sagen, was Sie wollen.«
Er erzählte ihr von der Kneipe und dass die Polizei ihm den Krankenhausüberfall anhängen wolle. »Wir waren das nicht«, versicherte er ihr. »Wirklich. Die Kneipe geht gut; wieso sollten wir ein Krankenhaus überfallen? Aber wir gehören zu den Seed, die mag nicht jeder. Kennen Sie die?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Eigentlich heißen wir The Bad Seed of America, Inc. Wir sind ein alter Biker-Klub, der in Milwaukee und Green Bay gegründet wurde. Mein Dad war auch schon dabei …«
Er sprach über die Seed, und sie erzählte ihm, dass die West Metro Credit Union ihr gekündigt habe. »Ich habe morgen ein Vorstellungsgespräch bei Macy’s, in der Kreditabteilung …« Sie habe zwei Töchter, sagte sie, und lebe getrennt von ihrem Mann, hoffe aber, wieder mit ihm zusammenzukommen, sobald sie sich über einige Fragen verständigt hätten. Joe Mack konnte diese aufrichtige, dunkelhaarige Frau gut leiden, auch wenn sie nicht sein Typ war. Er fand sie zu dünn und kleinbrüstig, und der Hintern würde mal
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