Mordrausch
Und ich bitte Minneapolis, uns jemanden zur Verfügung zu stellen.«
»Ich schicke Ihnen Dan Martin. Der kennt die meisten Seed-Leute vom Sehen.«
Nachdem er das Gespräch mit Harris beendet hatte, rief Lucas Marcy Sherrill zu Hause an und klärte sie über die neuesten Entwicklungen auf. »Haben wir genug für einen Durchsuchungsbefehl?«, erkundigte sie sich.
»Noch nicht. Ich habe Weather das Foto gezeigt. Sie meint, er könnte es sein, aber vor Gericht würde sie nicht darauf schwören.«
»Und was willst du jetzt tun?«
»Ihm Feuer unterm Hintern machen«, antwortete Lucas.
»Ich begleite dich.«
»Das dachte ich mir schon. Ich finde, wir sollten ein Team haben, für den Fall, dass wir irgendwas in Gang setzen. Wenn du einen Mann erübrigen könntest …«
Sie brachten Letty zur Schule; Sam fuhr mit der Haushälterin zur Kinderspielstunde in der Episcopal Church; Virgil, Lucas, Shrake und Jenkins machten sich auf den Weg zum Krankenhaus. Jenkins würde bei Virgil und Weather bleiben, während sich Shrake und Lucas in Minneapolis mit Marcy und einem ihrer Leute sowie Martin, dem Gang-Ermittler des SKA, trafen.
Marcy trug eine knallenge Stretchhose und Schuhe, die auf den ersten Blick harmlos wirkten, sich jedoch bei genauerem Hinsehen als Nikes mit Aluminiumkappe entpuppten – Hose und Schuhe, in denen man laufen und kämpfen konnte. Ihre Waffe steckte an ihrem Gürtel, unter einem grünen Pullover im Army-Stil mit Nylon-Ellbogenschonern, die farblich gut zu ihren dunklen Haaren und Augen passten.
Nachdem alle einander beschnuppert hatten – Lucas kannte Phil Dickens, Marcys Detective, aber die Beamten aus Minneapolis kannten Martin nicht –, einigten sie sich darauf, dass Lucas, Marcy und Shrake Joe Mack konfrontieren würden, während Dickens und Martin sich an Vorder- und Hintertür postierten.
»Wir rechnen nicht mit einer Festnahme, hoffen aber auf eine Reaktion seinerseits, die uns weiterhilft«, erklärte Marcy.
»Wissen wir, wo er momentan steckt?«, fragte Shrake.
»Nein. Als Erstes müssen wir ihn aufspüren«, antwortete sie. »Das Lokal öffnet erst um drei, aber Lucas meint, dass er ziemlich viel dort ist. Also versuchen wir’s zuerst da und fahren dann weiter zu seiner Wohnung in Woodbury. Die Kollegen dort wissen, dass wir vielleicht kommen.«
Obwohl es nach wie vor mörderisch kalt war, kletterte die Sonne allmählich aus dem tiefen Loch des Winters. Wie hieß es so schön in dem Sprichwort? Wenn die Tage länger werden, nimmt die Kälte zu. Doch wenn Lucas sich anstrengte, konnte er den Frühling erahnen. Irgendwo begann es zu tauen – wahrscheinlich in Missouri, dachte er. Jedenfalls nicht hier.
Sie fuhren zu fünft in vier Autos – Lucas und Shrake zusammen, Marcy, Dickens und Martin jeweils in einem – aus Minneapolis heraus, durch St. Paul und auf der I-35E in Richtung Süden. Sie waren kaum unterwegs, als Lucas’ Handy klingelte: Marcy, die von ihrem Wagen aus anrief.
»Was ist?«
»Wir haben den Laborbericht«, antwortete sie. »Die DNS stimmt mit Haines überein. Ihm hat Peterson die Kratzer verpasst.«
»Wunderbar. Langsam fügt sich alles.«
»Das reibe ich Mack unter die Nase«, sagte sie.
Im Tageslicht sah die Kneipe aus wie die meisten schlechten Bars, nämlich billig: lila Farbe, Beton, schmutzige Schneehaufen und Neonwerbung. In der Nacht konnte man sich einreden, dass das Ganze schrägen Charme besaß; tagsüber wurde klar, dass man sich am Arsch der Kneipenlandschaft befand.
Dickens und Martin bezogen als Erste Position, einer in der Nähe der vorderen, der andere bei der hinteren Tür. Martin teilte Lucas mit, dass Joe Macks Van hinter dem Gebäude stehe, neben einem auf eine Harriet B. Brown zugelassenen Geländewagen und dem fünfzehn Jahre alten Chevrolet eines gewissen Lenert aus Rochester.
»Ich lasse gerade Harriet Brown überprüfen; scheint nicht viel zu bringen. Sie ist neununddreißig, knapp eins siebzig groß, hat blaue Augen, wiegt achtundfünfzig Kilo und lebt in Dakota County. In den letzten drei Jahren hat sie sich wegen Geschwindigkeitsübertretungen zwei Strafzettel eingehandelt. Über Lenert weiß ich gar nichts.«
Lucas gab die Informationen an Marcy weiter. »Gut. Dann gehen wir jetzt rein.«
Sie stellten die Autos rechts und links vom Vordereingang ab und traten ein. Von der Theke rief eine Frau: »Ist noch nicht offen.«
»Wir sind von der Polizei«, erwiderte Marcy. »Und wir wollen mit Joe Mack reden.«
»Hm …«
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