Mords-Bescherung
so
Tourismusdirektor Gstöttner. »So
traurig die ganze Angelegenheit
ist, wir können nicht Tausende
Touristen enttäuschen, die ihren
Besuch schon lange geplant haben.«
Manfred Koch
Mörderzeit
Advent, Advent, es ist so weit,
Jetzt ist die Tannenmörderzeit!
Die Tannenbäume zittern schon,
Sie kennen ja die Tradition:
Kurz vor den Weihnachtstagen,
Da werden sie geschlagen
Und für die stille Weihnachtsnacht
Gleich serienweise umgebracht!
Advent, Advent, da kommen schon
Der Christbaumhändler und sein Sohn,
Denn tausendfacher Tannenmord
Ist nun einmal ihr Lieblingssport,
Dem sie begeistert frönen
Zur Weihnachtszeit, der schönen,
Sie sind das ganze Jahr drauf wild,
Und jetzt wird frisch drauflosgekillt!
Advent, Advent, im Nadelwald,
Da wird zurzeit kein Baum mehr alt,
Weil man sie zum Geburtstagsfest
Vom Jesulein jetzt sterben lässt.
Drauf könnten zwar die Fichten
Und Tannen gern verzichten,
Jedoch der Wunsch von einem Baum,
Der int’ressiert das Christkind kaum.
Advent, Advent, jetzt wird gesägt
Und ohne Gnade umgelegt!
Millionen Bäume macht man tot,
Die ganze Baumart ist bedroht:
Milliarden Bäume haben
Zum Fest des Jesusknaben
Schon ihre Seelen ausgehaucht,
Weil man das für die Stimmung braucht.
Advent, Advent, und irgendwann
Steh’n diese armen Bäume dann
Als mausetote Leichen stumm
In Weihnachtszimmern dumm herum,
Weil tote Karpfen reichen
Zum Fest wohl nicht als Leichen!
Bei so viel Leichen sag ich hier:
O stille Nacht, mir graust vor dir!
(Und weil das nicht zu ändern ist,
Werd ich im nächsten Jahr Buddhist.)
Heidi Rehn
Nacht der Erlösung
Sollte sie sich doch getäuscht haben? Katharina stutzte,
musterte die vor ihr stehende Schwägerin noch einmal genauer. Auf den ersten
Blick schien die Frau ihres Bruders Martin genau dieselbe wie damals, anno
1630, als der Generalissimus Wallenstein nach endlosen Wochen des Schreckens
mit seinem gewaltigen Heer aus Memmingen abgezogen war. Der Blick aus den
farblosen grauen Augen in Walburgs teigigem Apfelgesicht war fordernd. Gierig
reckte die Schwägerin die überraschend fein gezeichnete Nase in die Luft und
leckte mit der Zunge über die blutleeren Lippen. Aus jeder Geste der groß
gewachsenen, stämmig gebauten Gestalt sprach neben Unersättlichkeit auch
Hochnäsigkeit, genau wie vor zehn Jahren. Dazu passte das hochgeschlossene
Kleid aus raschelndem dunklen Atlas mit aufgestelltem Spitzenkragen –,
kleideten sich andere Bürgersfrauen in kargen Kriegszeiten wie diesen doch
lediglich in grobes Tuch oder mühsam gestopftes Leinen. Trotzdem aber hatte sie
Katharina gerade ein Angebot unterbreitet, das nicht anders als großzügig zu
nennen war. Nicht in ihren kühnsten Träumen hatte Katharina damit gerechnet.
Für einen Moment ließ es sie gar an der Rechtmäßigkeit ihres Vorhabens
zweifeln.
Um Zeit zu gewinnen, schweifte ihr Blick durch die dämmrige
Wohnstube des Kaufmannshauses nahe beim Memminger Markt, wollte Altvertrautes
aus Kindheitstagen wiederfinden. Vergeblich. Mehr als gründlich hatte Walburg
jegliche Erinnerung an die inzwischen verstorbenen Eltern weggeschafft. Das
Fremde in dem einstmals Heimeligen flößte Katharina einen frostigen Schauer
ein. Nein, es war ihr gutes Recht, endlich Rache zu üben. Entschlossen schaute
sie wieder zu Walburg.
Als hätte die Schwägerin ihre Zweifel laut gehört, wiederholte sie
in demselben säuselnden Ton wie vorhin das Angebot: »Das Amulett eurer guten
Mutter, Gott hab sie selig, will ich dir geben, allerliebste Katharina. Hoch
und heilig habe ich es ihr auf dem Sterbebett versprochen. Als einziger Tochter
der verehrten Mechthild Säckinger kommt es dir allein zu, das kostbare Amulett
aus Gold und Rubinen auf der Brust zu tragen. Es soll dich auf all deinen Wegen
behüten.«
Und uns davor bewahren, dass du jemals wieder hierher zurückkehrst,
fügte Katharina im Stillen hinzu, während Walburg ihr Versöhnung heischend die
Hände entgegenstreckte. Im Licht der flackernden Kerzenflamme blitzten dicke,
steinbesetzte Goldringe an den wohlgenährten Fingern der Schwägerin auf. Die
Not der Kriegsjahre war bislang spurlos an ihr vorübergegangen.
Katharina fiel es alles andere als leicht, ihren Widerwillen
niederzuringen. Auf den Tag genau zehn Jahre war es her, dass Walburg sie am
Vorabend der Heiligen Nacht eine elende Soldatenhure geschimpft und unter
lautem Gezeter aus der Stadt gejagt hatte. Verzweifelt hatte die Mutter
versucht, sie daran zu
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