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Mords-Bescherung

Mords-Bescherung

Titel: Mords-Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Weidinger
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genügte es zu wissen, dass sie im Kerzenschein als
blonder, weiß gewandeter Engel einmal quer durch den Stall laufen sollte. »Eine
Frau wünscht sich ein kurzes Weihnachtsspiel wie bei den Gauklern«, hatte sie
der Kleinen verraten. »Dazu soll es geheimnisvoll duften. Um den Zauber nicht
zu stören, darf niemand anderer davon erfahren. Sie zahlt es uns gut.«
    Stolz, der Mutter beim Geldverdienen helfen zu dürfen, hatte sich
das Mädchen rasch umkleiden lassen. Klopfenden Herzens machte sich Katharina
mit ihr an der Hand durch das dichter werdende Schneetreiben der Winternacht
auf. Die Fackel in ihrer zweiten Hand beleuchtete den Weg. Auf dem Rücken trug
sie ein Felleisen, in dem sich die Kräuter für das Räucherzeug wie auch das
Kästchen mit den besagten Briefen des Vaters befanden. Dass Walburg so begierig
auf die Schriftstücke war, konnte sie gut verstehen. Sollten die jemand anderem
in die Finger fallen, war es mit ihrer Ehre rasch vorbei, zu deutlich waren
darin die Geschäfte der Schwägerin vor der Heirat mit Martin beschrieben.
Wieder lachte Katharina leise in sich hinein. Wer würde je vermuten, dass sich
hinter der angeblich so gottesfürchtigen, sittsamen Bürgersfrau in Wahrheit ein
räudiges Winkelweib verbarg?
    »Mutter, was ist?« Resis helles Stimmchen hallte wie ein
unschuldiges Engelläuten durch die stille Nacht.
    »Nichts«, beeilte Katharina sich zu versichern. »Sieh nur, dort
vorn.« Sie deutete auf eine schwarze Katze, die sich mit böse funkelnden Augen
und drohend aufgestelltem Schwanz an einer Hausecke herumdrückte. Laut stampfte
Katharina mit dem Fuß auf, um sie zu verscheuchen. Fauchend stob das Tier von
dannen. Katharina bückte sich nach einer Handvoll Schnee und warf sie der Katze
nach. Eilig bekreuzigte sie sich und hieß Resi, Gleiches zu tun, um drohendes
Unheil zu verjagen.
    Im Stadel empfing sie eine bedrückende Stille. Katharina leuchtete
mit der Fackel jeden Winkel aus, um sicher zu sein, keinen unerwünschten Zeugen
bei dem Gauklerspiel zu haben. Mit Resis Hilfe postierte sie ein halbes Dutzend
Talglichter halbkreisförmig auf dem festgetretenen Lehmboden mitten im Stall,
entzündete eins nach dem anderen mit der Fackel und steckte diese sodann in die
gusseiserne Halterung beim Eingang. Ihre Finger zitterten, als sie das
Felleisen aufschnürte. Behutsam entnahm sie ihm eine Messingschale, mehrere Bündel
getrockneter, stark duftender Kräuter sowie ein Säckchen mit
Bernsteinsplittern, die sie in die Schale gab. Zuletzt hob sie das Kästchen mit
den von Walburg so innig begehrten Briefen aus dem Reisesack. Sorgfältig
breitete sie das zusammen mit der Schale vor den Lichtern aus. Andächtig
schaute Resi ihr zu.
    »Das gehört alles zu dem Engelsspiel«, erklärte sie, um den Fragen
des Mädchens zuvorzukommen. »Du weißt doch, in der Heiligen Nacht ist uns ein
Wunder geschehen. Daran erinnern wir uns bis heute gern.«
    Draußen vor dem Stadel näherten sich Schritte.
    »Schnell!« Hastig schob sie das Mädchen hinter einen brusthohen
Verschlag. »Erst auf mein Zeichen kommst du hervor und gehst ganz langsam quer
durch den Stall bis zur Tür. Hab keine Angst, die Frau wird dir nichts tun. Sie
will dich nur sehen und deinem Weg nach draußen folgen. Geleite sie bis zu den
Türen der Frauenkirche. Den Rest wird sie allein bewältigen.«
    Katharina hatte kaum den Halbkreis mit den Talglichtern erreicht und
sich vor der Messingschale zum Sitzen niedergelassen, als sich die Tür knarrend
öffnete und Walburg in den Stadel hereinkam. Vom Turm der nahen Frauenkirche
schlug es elf, am Kempter Tor blies der Wächter die Trompete. In der Ferne
bellte ein Hund, ein zweiter antwortete aufgeregt, bis das Kläffen in der
Lautlosigkeit der schneereichen Winternacht versank.
    »Spät kommst du«, empfing Katharina sie und entzündete den Bernstein
mit einem der Talglichter, bevor sie die Blätter der Kräuter zwischen den
Fingerkuppen zerrieb und in die Schale rieseln ließ. Bedächtig wedelte sie mit
der Hand über dem glimmenden Räucherwerk hin und her, achtete unauffällig
darauf, den aufsteigenden Rauch nicht selbst einzuatmen. Als alles zu ihrer
Zufriedenheit qualmte, wandte sie sich Walburg zu. Die Schicht weißen Schnees
auf ihrem dunklen Umhang verriet, dass der Schneefall eher zu- als abgenommen
hatte. Selbst in Walburgs buschigen Augenbrauen und dichten Wimpern glitzerte
es.
    »Komm nur zu mir«, lud sie die Schwägerin ein. »Es wird dir guttun,
dich eine Weile

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