Mords-Bescherung
aufzuwärmen.«
»Was tust du da?« Walburg wies mit einem ihrer dicken Finger auf das
Räucherwerk. »Willst du mich verzaubern, du räudige Hexe?«
»Wozu? Jetzt, wo du mir das kostbare Amulett meiner Mutter übergeben
willst, wäre das doch mehr als töricht.«
In der Schale qualmte das Räucherwerk heftiger. Wieder wedelte
Katharina geschickt den Rauch beiseite, mehr zu Walburg hin, und atmete dabei
flach durch den Mund. Bald erfüllte ein würzig herber, bisweilen bitterer und
harziger Geruch den Stadel. Katharina spürte eine leichte Benommenheit, atmete
unauffällig zur Seite aus.
»Sieh nur, dort steht das Kästchen mit den Briefen. Setz dich und
schau sie in Ruhe an, bevor du mir das Amulett gibst. Du wirst gleich merken,
es sind die richtigen.«
Walburg zögerte einen Moment, blickte abermals misstrauisch zwischen
der Räucherschale und Katharina hin und her. Erst als sie sicher war, dass der
aufsteigende Rauch Katharina nichts antat, kam sie der Aufforderung nach.
Sogleich griff sie nach dem Kästchen, öffnete es und nahm ein Bündel Papiere
heraus, blätterte es hastig durch.
»Zufrieden?« Katharina rang sich ein Lächeln ab, um die eigene
Ungeduld zu verbergen. »Dann kannst du mir auch das Amulett geben.«
»Hier!« Walburg zog es aus den Tiefen ihres Umhangs und warf es ihr
zu. Längst war ihr Augenmerk ganz auf die Briefe gerichtet. Das nutzte
Katharina, senkte das an einer langen, schweren Goldkette befestigte Amulett
kurz in den Rauch und ließ es dann dicht vor Walburgs Gesicht pendeln.
»Hab ich’s doch gewusst, du alte Hexe!« Entsetzt versuchte die
Schwägerin doch noch zurückzuweichen, Nase und Mund mit dem Arm vor dem
Einatmen des Qualms zu schützen. Doch es war zu spät. Viel zu tief schon hatte
sie den Rauch in sich aufgesogen und war, verstärkt von dem nah vor ihren Augen
schwingenden Amulett, willenlos dem dampfenden Räucherwerk ausgeliefert.
Geduldig beobachtete Katharina, wie Walburgs Arm langsam sank, sich ihre
farblosen grauen Augen erst zögernd, dann regelrecht begierig dem Pendeln des
Amuletts anpassten, um sich zuletzt auf dem sich sacht hin- und herbewegenden
Schmuckstück geradezu festzusaugen. Schließlich folgte auch Walburgs massiger
Rumpf dem Rhythmus der Schwingungen. Sacht schaukelte sie im Sitzen, die
blutleeren Lippen leicht geöffnet, sodass es Katharina ein Leichtes war, ihr
den Rauch weiter zuzufächeln. Leise begann sie dabei auf Walburg einzureden.
»Gleich siehst du einen goldenen Engel. Steh auf und folge ihm zur
Tür. Er geleitet dich auf den rechten Pfad der Tugend. Um Mitternacht wirst du
in der Frauenkirche an den Altar treten und den Menschen aus den Briefen
vorlesen. Sei gewiss: Das wird die Nacht deiner Erlösung.«
Sie winkte Resi hinter dem Verschlag hervor. Bedächtig schritt das
Mädchen durch den Stadel. Katharina lenkte Walburgs Blick mit dem Pendel zu ihr
hin, sah zufrieden, wie der Anblick des weiß gewandeten Mädchens mit dem
goldblonden lockigen Engelshaar ein freudiges Lächeln auf das breite Gesicht
der Schwägerin zauberte. Gemächlich erhob sie sich, folgte, wie von Katharina
geheißen, dem Engel hinaus zur Tür. Als sie einmal kurz den Arm bewegte,
blitzte zu Katharinas Entsetzen eine Messerklinge zwischen den Falten ihres
Umhangs auf. Walburg merkte nichts und ging in traumwandlerischer Sicherheit
Resi hinterher. Katharina beruhigte sich wieder. Langsam schritten die beiden
ungleichen Gestalten, das weiße, unschuldige Kind und die schwarze, von Gier
zerfressene Schwägerin, zum Stadel hinaus. Katharina folgte ihnen in sicherem
Abstand durch den knirschenden Schnee.
Die beiden hatten gerade den Platz vor der Frauenkirche erreicht,
als Walburg plötzlich strauchelte, wild mit den Armen ruderte und im nächsten
Augenblick mit einem schrillen Schrei zu Boden schlug. Resi fuhr herum,
Katharina stürzte hinzu.
Reglos lag die Schwägerin auf dem Boden. Die Schöße der Heuke
breiteten sich Engelsflügeln gleich um den dunklen, massigen Körper. Ein
dickflüssiges Rinnsal zeichnete sich allmählich auf dem weißen Schnee ab.
Katharina erkannte sofort, dass es Blut war. Vorsichtig stieß sie mit dem Fuß
gegen den Leib, kippte ihn zur Seite. Deutlich blitzte das in der Brust
steckende Messer auf.
»Gott hat ihr die Erlösung wohl schon vor der heiligen
Weihnachtsmesse zugedacht«, stellte eine warme Männerstimme dicht neben
Katharinas Ohr fest. Langsam drehte sie sich um und blickte in das sorgfältig
rasierte Gesicht Falk von
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