Mords-Bescherung
Ultimatum gestellt?«
Er nickt anerkennend. »Du bist erstaunlich gut informiert. Und du
sagst das so dahin, als würde es dir gar nichts ausmachen.«
»Erwartest du, dass ich in Tränen ausbreche?« Sie gluckst. »Ich
bitte dich. In all den Jahren haben wir uns auseinandergelebt. Wir schlafen in
getrennten Zimmern, wir vermeiden Berührungen, wir unterhalten uns über
Banalitäten. Das Einzige, was du an mir schätzt, ist meine Kochkunst.« Während
Magda das Vermögen schätzt, das Tonis Baufirma abwirft, und den damit
verbundenen Luxus, der – seinem chronischen Geiz zum Trotz – für sie dabei
abfällt.
»Dann bist du also einverstanden?« Toni leert sein Glas auf einen
Zug.
Sie schenkt ihm nach. »Meinen Segen habt ihr.«
»Du wirst allerdings auf einiges verzichten müssen.«
Auf den Anblick deiner Glatze, auf deine Schweißfüße, deine
kulinarischen Sonderwünsche, deine langweiligen Jagdfreunde, denkt Magda und
freut sich.
»Auf die Villa, das Cabrio, die Reisen, die viele Freizeit«, zählt
er auf. »Du wirst wieder arbeiten müssen. Dir eine Wohnung suchen. Nach der
Scheidung stehen dir keinerlei Unterhaltszahlungen zu.«
»Ich weiß, mein Lieber. Ich habe unseren Ehevertrag aufmerksam
gelesen. Und«, sie lächelt hintergründig, »ich habe vorgesorgt.«
Die Schweißtropfen auf Tonis Stirn bilden Rinnsale, die sich ihren
Weg über die Schläfen bahnen und im Bart versickern. Hastig trinkt er noch
einen Schluck Wein, dann tupft er sich die Stirn ab.
»Ist dir heiß?«
»Ein wenig schwindlig. Die Skitour heute Morgen war ziemlich
anstrengend.«
»Daran liegt es nicht.« Versonnen tätschelt Magda die Karaffe, in
der schwärzlich rot der Wein schaukelt. Ein sizilianischer Nero d’Avola.
Toni zuckt zusammen. »Warum trinkst du nichts?«
Sie überlässt die Antwort den Sängerknaben, die »Stille Nacht,
heilige Nacht« intonieren.
Er fasst sich an den Hals, reißt einen weiteren Hemdknopf auf, dass
das unappetitliche Brusthaar hervorquillt. »Du … du hast den Wein vergiftet!«
»Aber nein. Gift lässt sich viel zu leicht nachweisen. Ich habe nur
ein paar K.-o.-Tropfen hinzugefügt. Zuerst wird dir schwindlig, dann übel, dann
wirst du apathisch und willenlos. Wenn du Glück hast, verlierst du sogar das
Bewusstsein.«
»Was machst du mit mir?« Er hat Mühe, die Worte deutlich
auszusprechen.
»Du wolltest dich doch scheiden lassen. Bitte schön. Einmal
Scheidung à la Magda. Oder hast du wirklich gedacht, du könntest mich auf die
Straße setzen wie einen räudigen Hund, nach all den Haubenmenüs, die ich dir in
zwanzig Ehejahren gekocht habe?«
Tonis Mund klappt auf, aber alles, was er zuwege bringt, ist ein
geröcheltes Grunzen. Ein Speichelfaden hängt von seiner Lippe und tropft auf
den Perserteppich.
»Versuche es gar nicht erst. Im Nachbarhaus singen sie gerade
Weihnachtslieder. Selbst wenn du noch schreien könntest, niemand würde dich
hören.«
Er hascht nach ihrem Arm, greift aber ins Leere. »Was hast du vor?«
»Dich ins Auto verfrachten, die Planseelandesstraße entlangfahren
und den Wagen in der Rechtskurve, die unlängst diesem deutschen Touristen zum
Verhängnis wurde, über die Böschung in den See rollen lassen. Du wirst
ertrinken, mein Lieber.«
»Die O… die Obdu…« Das Wort ist zu schwer für einen
Halbbetäubten.
»Bis du gefunden und geborgen wirst, vergeht mindestens die halbe
Nacht.« Wenn nicht die ganze. Am Heiligen Abend sind die Straßen menschenleer.
Einen besseren Termin kann es für Magdas Plan nicht geben. »Da K.-o.-Tropfen
nur wenige Stunden im Blut nachweisbar sind, wird die Obduktion einwandfrei
ergeben, dass es ein Unfall war. Man wird glauben, dass du auf dem Nachhauseweg
von deiner Geliebten am Steuer eingenickt bist. Kein Fremdverschulden.
Tragisch, dass es ausgerechnet den beliebten Gemeinderat und einen der
erfolgreichsten Unternehmer des Landes trifft.«
Das Klingeln der Türglocke unterbricht Magdas Erläuterungen. Kaum
hat sie geöffnet, schreit Toni um Hilfe. Alle Achtung. Er muss seine letzten
Kräfte mobilisiert haben. Trotzdem klingt es, als dümple er bereits in den
Fluten des Plansees.
Beim Anblick der Besucherin leuchten seine Augen noch einmal auf.
»Pass auf«, zischt er. »Sie will uns …«
Das Wort »töten«, »ermorden« oder »umbringen« kann Magda nicht
verstehen, denn im selben Moment krähen die Wiltener Sängerknaben mit der
ganzen Power ihrer Sängerknabenstimmen »Oh du fröhliche, o du
Weitere Kostenlose Bücher