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Mords-Bescherung

Mords-Bescherung

Titel: Mords-Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Weidinger
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vorher wusste, was er ihr
schenken würde: Reizwäsche im ersten Jahr ihrer Ehe (Weihnachten 1992),
Küchengeräte in den Folgejahren. Beide Geschenkekategorien eint der Hintergedanke,
dass Magda sie in erster Linie zur Befriedigung seiner Gelüste einsetzen müsse.
    »Hast du etwa geschummelt?« Die senkrechte Falte gräbt sich wie ein
Canyon in Tonis Stirn.
    Magda lächelt und schweigt.
    Mit einem Ruck reißt er das Seidenpapier seines Päckchens auf. »Ein
Parfüm von Chanel! Du verwöhnst mich, Schatz!« Er haucht einen Kuss auf ihre
Wange und dankt ihr überschwänglich. Dass das Parfüm »Égoïste« heißt, beachtet
er nicht. Selbstverständlich versteht er den Wink mit dem Zaunpfahl, aber als
Gemeinderat von Reutte hat Toni Übung darin, Winke mit Zaunpfählen zu
ignorieren.
    Mit der allergrößten Ruhe knüpft Magda die Schleife auf, die ihr
Päckchen umgibt. Sie löst die Klebestreifen ab, faltet das Weihnachtspapier
auseinander und streicht es glatt. Eine Schachtel kommt zum Vorschein, die sie
von allen Seiten betrachtet. Schließlich hebt sie den Deckel ab, so vorsichtig,
als würde sie eine Giftschlange aus ihrem Käfig befreien. »Aber Toni,
Liebling!« Der Überraschungsausruf gelingt einwandfrei. Während sie die
Halskette aus dem Behältnis nimmt und durch ihre Finger gleiten lässt,
beobachtet sie ihn aus dem Augenwinkel.
    Das Schmuckstück ist ein Traum, keine Frage. Aber weit mehr als den
Anblick der schimmernden Perlen genießt Magda Tonis aufgerissenen Mund. Die
Schweißtropfen, die sich wie von Zauberhand auf seiner Stirn gebildet haben.
Seine Rechte, die sich auf die Brust presst und damit das unkontrolliert
galoppierende oder einen Schlag aussetzende Herz dahinter offenbart.
    »Aber … das …«, stammelt er. Mit der Linken lockert er die Krawatte,
die tannengrüne mit den eingewirkten Silberfäden.
    »Was hast du, Toni? Ist dir nicht gut?«
    Sein Kehlkopf saust auf und nieder. »Gefällt sie dir?«, bringt er
schließlich hervor.
    »Und wie!« Magda legt die Kette um. »Ich danke dir, Liebling.« Sie
mustert ihn nachdenklich. »Aber was wird Jenny sagen, wenn sie jetzt an meiner
Stelle das Santoku auspackt?« Das Vertauschen der beiden Geschenke, die sich in
Größe, Form und Verpackung ähnelten, ist eine von Magdas fabelhafteren Ideen
gewesen. Das Tüpfelchen auf dem i dieses Heiligen Abends. Was muss Toni auch so
einfallslos sein und die Weihnachtsgeschenke Jahr für Jahr hinter seiner
Sammlung von Pornofilmen verstecken?
    Das Blut weicht aus seinem Gesicht, als hätte es jemand bis auf den
letzten Tropfen abgepumpt. Zurück bleibt ein kalkiges Weiß, das krank aussieht.
Mit einem Stöhnen lässt er sich auf die Couch fallen. »Du weißt? Weißt von
Jenny?«
    »Aber natürlich, Liebling. Über deine Affären habe ich immer
Bescheid gewusst, von Anfang an. Über Sabine und Jasmin, Theresia, Nicole, die
süße kleine Birgit, über die füllige Buchhalterin, das tschetschenische
Au-pair-Mädchen. Früher hast du schneller gewechselt, mit Jenny treibst du es
jetzt schon ziemlich lange. Liegt das am fortschreitenden Alter, oder ist es
diesmal etwas Ernsteres?«
    Er starrt auf ein Ornament des Perserteppichs. (Kein
Weihnachtsgeschenk, sondern ein Erbstück seiner Mutter.) »Jennifer ist etwas
Besonderes, nicht nur als Mitarbeiterin, sie ist …« Er öffnet den obersten
Knopf seines Hemdes.
    »Eine intelligente junge Frau, fröhlich, gebildet, mit guten
Umgangsformen. Obwohl es dir wahrscheinlich mehr um ihren Busen geht, um ihr
hübsches Gesicht, die rotblonden Locken und die Tatsache, dass sie deine
Tochter sein könnte.«
    »Du kennst sie?«
    »Du solltest sie anrufen, Toni. Wenn Jenny mit Perlen rechnet und
das Küchenmesser auspackt, wird sie enttäuscht sein, und so eine Enttäuschung
fühlt sich an wie ein Nadelstich.« Magda pikst ihren Fingernagel in seinen Arm.
»Einen steckt man locker weg, aber der nächste oder übernächste könnte bereits
einer zu viel sein.«
    Toni füllt zwei Kristallgläser (Weihnachten 2007) mit dem Rotwein,
den Magda zwei Stunden zuvor in den Dekanter (Weihnachten 2009) gegossen hat.
»Eigentlich wollte ich erst nach den Feiertagen mit dir darüber reden. Aber
vielleicht ist es besser, wenn wir es gleich tun.« Er prostet ihr zu. Es klirrt
silberhell, als die Gläser aneinanderstoßen. Toni trinkt.
    Magda hebt ihr Glas an die Lippen, stellt es aber unberührt wieder
ab. »Lass mich raten, mein Lieber: Du willst dich scheiden lassen. Hat Jenny
dir ein

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