Mords-Bescherung
Geradezu revolutionär.«
Der Sohn vom Weihnachtsmann stutzte. »Das heißt, die Kanonenkugeln
waren nicht die einzige untypische Überraschung?«
»Nun, irgendwie nicht direkt«, erklärte der Assistentenwichtel
gedehnt und gab seinem Vorgesetzten einen Stoß mit dem Ellbogen.
»Warten Sie mal«, bat der Sohn vom Weihnachtsmann und tippte wieder
auf seinem tragbaren Computer herum. »Bringen Sie mir doch bitte mal das Paket
für den kleinen Franzl aus Weyregg, elf Jahre alt. Laut Ihren Unterlagen müsste
es schon komplett fertig sein.«
Der Assistentenwichtel wurde blass, sprach einen kurzen, hektischen
Befehl in sein Headset, das er unter seinen wallenden Haaren elegant verborgen
hielt, und trat danach unruhig von einem Fuß auf den anderen. Kurze Zeit später
wetzte ein Transportzwerg auf die Gruppe zu, in der Hand eine Tasche, aus der
mehrere bunte Pakete hervorlugten. Mit einer fließenden Bewegung lud er die
Tasche vor dem stellvertretenden Weihnachtsgeschenkeproduktionsstättenleiter
ab, salutierte und verschwand wieder zu seiner Arbeit.
»Also, dann wollen wir doch mal sehen«, rief der Sohn vom
Weihnachtsmann und warf einen letzten kontrollierenden Blick auf seinen
Computer. »Der Franzl hat sich Folgendes gewünscht: eine Playstation 3,
eine Nano-Line-Checker-Skijacke, weil er aus seiner alten herausgewachsen ist,
und zum guten Schluss ein Zelt, weil er im Sommer mit den Pfadfindern in ein
Lager fährt.«
Der Sohn vom Weihnachtsmann klemmte seinen Computer in die Halterung
an seinem Gürtel und nahm sich die Tüte mit den Geschenken. Nacheinander packte
er die sorgsam und liebevoll gestalteten Päckchen aus.
»Kann mir mal jemand erklären, was das hier ist?«, fragte er kurz
darauf.
»Äh, das sehen Sie doch. Franzls Wünsche. Wir haben alles erfüllt.
Na ja, fast jedenfalls.«
»Wollen Sie mich veralbern?«, schimpfte der WMSD -Mann
aufgebracht. »Sieht so eine Playstation aus?«
»Nicht direkt«, hüstelte der Assistentenwichtel leise.
»Und was ist das?«
»Eine … eine Gruppe von Holzpüppchen«, gab der Gewerkschaftswichtel
noch leiser zu.
»Eben. Holzpüppchen. Und das da soll wohl die Skijacke sein, oder?«
»Das ist ein wind- und wasserfester Umhang aus gefilzter
Alpakawolle«, bemerkte der stellvertretende
Weihnachtsgeschenkeproduktionsstättenleiter unbehaglich. »Absolut geeignet für
den Wintersport. Da braucht der Franzl auch kein neues Zelt. Wenn er sich darin
einwickelt, ist ihm schön mollig warm.«
»Und darüber soll er sich freuen?«, fragte der Sohn vom
Weihnachtsmann kopfschüttelnd.
»Warum denn nicht? Er hat etwas zum Spielen bekommen, sogar
pädagogisch sinnvoll, im Gegensatz zu dieser Konsole. Und es muss ja nicht
immer eine Markenjacke sein, die hier ist viel besser.«
»Und außerdem fair gehandelt«, ergänzte der Gewerkschaftswichtel
eifrig.
»Und ein verdorbenes Weihnachtsfest inklusive«, wetterte der Sohn
vom Weihnachtsmann und griff instinktiv wieder nach seinem Computer. Nach
wenigen kurzen Handbewegungen hielt er dem Assistentenwichtel den Bildschirm
vor die Nase. »Lassen Sie bitte für diese drei Personen die Geschenke in den
Konferenzraum bringen, ich möchte mir noch ein paar andere ansehen. Wir treffen
uns dort in zehn Minuten.«
»Was wird hier gespielt?«, fragte der sichtlich konsternierte WMSD -Mann dreizehn Minuten später. »Und keine
Ausflüchte oder Ausreden mehr. Hier stinkt doch etwas gewaltig zum Himmel.«
»Ich … ich weiß gar nicht …«, stammelte der stellvertretende
Weihnachtsgeschenkeproduktionsstättenleiter kurzatmig.
»Donnerwetter noch eins, ich habe die Nase voll! Nichts, aber auch
wirklich gar nichts, was sich die Menschen gewünscht haben, ist in den Paketen.
Hier, nehmen Sie den Alois, vierundvierzig, aus Vöcklabruck. Der Alois wollte
ein neues Gewehr für die Jagd, und was haben Sie für ihn zusammengestellt?
Pfeil und Bogen und eine Wurfbola.«
»Die ist doch wunderschön«, hauchte der Gewerkschaftswichtel. »Sogar
mit Strasssteinen dran.«
»Oder hier, die Resi, zweiunddreißig, aus Salzburg. Hatte sich
Dessous von Calvin Klein gewünscht. Und was ist in ihrem Paket? Ein Mieder aus
unbehandelten Kautschukfasern. Ganz zu schweigen von der Marlies,
achtundfünfzig, aus Bad Ischl. Ein Akkordeon wollte sie haben, um mit ihrer
Musikgruppe weiter musizieren zu können. Und was bekommt sie? Eine Panflöte!«
»Aber handgeschnitzt«, versuchte der Assistentenwichtel zu
beruhigen.
»Meinetwegen auch mundgeblasen«,
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