Mords-Bescherung
kichernd und reichte seinem Gegenüber den Pfefferstreuer. »Pfeffer
gefällig?«
»Großer Gott, nein«, schrie der Weihnachtsmann entsetzt auf. »Ich
hab eine Pfefferallergie. Sobald ich auch nur mit einem Stäubchen Pfeffer in
Kontakt komme, besteht höchste Lebensgefahr für mich …«
Bevor der Weihnachtsmann noch weitere medizinische Details zum
Besten geben konnte, trat ein Engel zu ihm und überreichte ihm ein amtlich
aussehendes Schreiben. Der Weihnachtsmann entfaltete es umständlich und
runzelte dann die Stirn.
»Schlimme Nachrichten, WM ?«, fragte
der Nikolaus.
»Bescheid vom Chef«, antwortete der Weihnachtsmann. »Ich soll den
Menschen den Glauben an mich zurückgeben. Und zwar pronto und ohne
Rechtsmittel.«
»Hm, den Glauben zurückgeben, gar nicht so einfach«, sagte der
Nikolaus, Honig in sein Müsli gebend. »Haben Sie schon eine Idee, wie Sie das
anstellen wollen?«
»Nein. Aber ich muss mich wohl dazu auf die Erde begeben. Und dabei
hasse ich Außendienst.«
Und so schickte sich der Weihnachtsmann darein, bürstete seinen
langen roten Mantel, reinigte, stutzte und kämmte seinen Bart, besorgte sich
vom Ersatzteillager Kontaktlinsen und ein modernes Hörgerät und machte sich im
Dienstwagen – einem Schlitten mit zweihundertachtzig PS – auf die Reise zur Erde, wo ihn Hermes, sein
Chauffeur, in der Fußgängerzone von Innsbruck absetzte.
Dort stand nun der Weihnachtsmann mitten im Menschengetümmel, und er
kam sich allein und im Stich gelassen vor. Niemand beachtete ihn; alle hasteten
an ihm vorbei, mit Unmengen von Paketen beladen.
»Wie soll ich da den Menschen den Glauben an mich zurückgeben?«,
fragte sich der Weihnachtsmann. »Am besten wohl im persönlichen Gespräch.« Und
als ihm eine besonders viele Pakete schleppende Frau entgegenkam, stellte er
sich ihr mit den Worten »Darf ich Sie etwas fragen?« in den Weg.
Die Frau blieb widerwillig stehen. »Was ist? Schon wieder eine
Straßenbefragung?«
»Nein, nein«, beruhigte sie der Weihnachtsmann, »ich wollte nur
wissen: Wozu die vielen Geschenke? Glauben Sie, dass Sie Ihre Mitmenschen
dadurch glücklicher machen? Glauben Sie nicht, dass zu Weihnachten ganz andere
Dinge wichtig sind, etwa …«
Aber da kam er bei der Frau an die falsche Adresse. Zunehmend
aufgebrachter keifte sie: »Ojemine, von welcher Sekte sind denn Sie? Und noch
dazu in dieser Aufmachung, das ist ja schon wieder beinahe obszön! Lassen Sie
mich in Ruhe, ich hab’s eilig, Sie sehen ja, dass ich die schweren Pakete
tragen muss, aber statt dass Sie mir helfen und das oberste abnehmen, das
gleich herunterfallen wird, stellen Sie bloß blöde, lästige Fragen!«
Jedoch als ihr der Weihnachtsmann hilfsbereit einige Packerl
abnehmen wollte, kreischte sie: »Nein, nehmen Sie gefälligst Ihre Würstelfinger
da weg, wer weiß, ob Sie sich mit dem Packerl nicht auf und davon machen, und
ich könnte Ihnen, dermaßen bepackt, nicht einmal nachlaufen. Also verschwinden
Sie, hauen Sie ab, sonst vergess ich noch, dass ich eigentlich eine Dame bin …«
»Aber, gute Frau, ich wollte doch nur –«, begann der Weihnachtsmann
seine Rechtfertigung.
»Eine Frechheit, was sich diese Befrager heutzutage herausnehmen,
eigentlich müsste man die Polizei holen, aber wenn man mal einen von den
Burschen braucht, ist natürlich keiner zur Stelle …«
»Sie verstehen mich falsch, ich wollte eigentlich –«, versuchte es
der Weihnachtsmann aufs Neue, und als er sah, dass das oberste Paket sich nun
tatsächlich anschickte, zu verrutschen und auf den matschigen Boden zu fallen,
griff er nach diesem.
Als die Tirolerin die Pranke des Weihnachtsmanns auf sich zukommen
sah, schrie sie auf, »Hilfe! Überfall!«, ließ die Päckchen fallen, griff in
ihre Manteltasche …
… und sprühte dem Weihnachtsmann mit einem Pfefferspray eine
Ladung Pfeffer ins Gesicht …
Theo Pointner
Tod eines Weihnachtsgeschenkeproduktionsstättenleiters
Schon seit Anfang Dezember tobte ein Schneesturm nach dem
anderen durch das kleine, unzugängliche, von drei hohen Gipfeln umschlossene
Tal. Die Stürme hatten eine Kraft, wie sie diese Region selten zuvor gesehen
hatte, die touristisch erschlossenen Gebiete lagen unter einer tiefen
Pulverschneedecke, unter der die Bewohner lauthals jubelten. So früh wie in
diesem Jahr hatte die Saison noch nie begonnen, wenn es nicht extremes
Tauwetter gab, war die Schneesicherheit auf Wochen gegeben.
In dem kleinen, unzugänglichen, vergessenen Tal
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