Mords-Bescherung
zweite Chance verdient. Ich konnte ja nicht wissen, dass das Kokain
ihn dermaßen aus der Spur gebracht hat.«
»Ich habe es dir ja sofort gesagt, der kann uns in Teufels Küche
bringen. Funktioniert das übrigens jetzt gefahrlos mit dem Kokain?«
»Natürlich«, entgegnete der Weihnachtsmann und gönnte sich eine
weitere Linie. »Der Schnee kommt jetzt über Skandinavien nach Mitteleuropa, als
Füllmaterial für die Stoffrentiere. Bombensicher. Noch zwei Jahre, und wir
haben endgültig ausgesorgt.«
»Sehr gut«, nickte der WMSD -Leiter und
warf die blaue Dienstmütze achtlos in die Ecke. »Übrigens, du kannst die
Mörderzwerge aus Österreich abziehen, da läuft wieder alles nach Plan.«
»Hervorragend. Die werden auch schon in Australien gebraucht.
Irgendetwas läuft da mit unserem Diamantenschmuggel nicht ganz richtig …«
Angela Eßer
Die Alm
Während die anderen noch tief und fest schliefen, stand
Edgar5 schon im schalldichten Übungsraum und trainierte. Unermüdlich.
»Hohooooho!«, brüllte er wohl zum hundertsten Male an diesem Morgen
das obligate Weihnachtsmann-Lachen. Er betrachtete dabei sein Spiegelbild und
war mit sich mehr als unzufrieden. Wie eine besoffene Elchkuh, der man vor das
Schienbein getreten hat, hatte die Jury letzte Woche einstimmig geurteilt. Das
hatte gesessen. Er versuchte es noch einmal. »Hooooohohooo!« Es half alles
nichts, er musste besser werden. Viel besser. Und vor allem besser werden als
Martin2. Dieses Sackgesicht hatte die letzten drei Challenges gewonnen und war
auch beim Walk vor der Jury eindeutig besser angekommen als er. Auf ein Neues,
dachte Edgar5, nahm aus der Schale einen Zimtstern und atmete tief ein.
»Hohohoooo«, brüllte er erneut, schmunzelte dabei verschmitzt in den
Spiegel, dann auf das Gebäck in seiner Hand und biss ein Stück ab. Kaute kurz,
ließ die Augen rollen und wackelte ein wenig mit dem Kopf hin und her.
»Hoohoooho!« Kaute weiter, versteckte den Brei schnell in seinen Backentaschen
und machte nun ein erstauntes Gesicht.
»Ohooooo.« Erstaunt beugte er sich ein wenig zu seinem Spiegelbild
vor. »Daaas sollen Zimtsterne sein?« Er schüttelte den Kopf und legte dabei
seine Stirn in tiefe Falten. »Nein, nein, nein!« Kurze Pause. »Daaaaas sind
keine Zimtsterne. Das sind …« Er blickte kurz auf den angebissenen Keks in
seiner Hand. Dann seufzte er genießerisch, streckte seinen Bauch vor und
blickte wieder zurück in den Spiegel. Lächelte verhalten, einen Moment später
strahlte er. »Hohohoooo, das sind jaaa … ganze Zimtgalaxien!« Und stopfte sich
den restlichen Keks in den Mund.
Diese Scheiß-Zimtsterne. Alles konnte er stundenlang von diesem
ganzen Weihnachtskram essen. Lebkuchen, Stollen, Vanillekipferl, gebrannte
Mandeln und kandierte Äpfel, aber diese Zimtbomben machten ihn fertig. Die
hatte er als Kind schon gehasst wie die Pest. Doch es half alles nichts. Wenn
er hier gewinnen wollte, dann hatte er dieses Zeug in sich hineinzustopfen, und
zwar kiloweise. Er nahm einen Schluck aus der Wasserflasche und versuchte, den
Würgereiz zu unterdrücken.
Nie wieder Allerwelts-Kaufhaus-Weihnachtsmann war sein Credo.
Endlich »Der Weihnachtsmann des Jahres« werden, endlich die absoluten
Klasse-Aufträge absahnen und vor allem endlich die Krönung eines
Weihnachtsmann-Lebens erreichen: gemeinsam mit dem Präsidenten der Vereinigten
Staaten in die Kamera lächeln. Denn das war ihm sicher, wenn er hier gewann.
Doch dazu musste er hier nun mal der Erste werden. Und da würde ihm auch kein
Martin2 in die Quere kommen.
Koste es, was es wolle.
Die blaue Lampe leuchtete über der Tür auf, drei Stunden waren um.
Länger durfte keiner in diesem schalldichten Raum bleiben, aus
Sicherheitsgründen. Schwachsinnsregel, dachte er, griff missmutig nach seiner
Trainingstasche und dem Geschenke-Übungssack. Keinen Schritt war er
weitergekommen. Und heute Abend sollte er der Jury zeigen, welche Fortschritte
er gemacht hatte. Er hielt einen Augenblick inne und schaute noch einmal in den
Spiegel.
Er war der perfekte Weihnachtsmann.
Er, und niemand anders.
Von den Weihnachtsmännern, die es auf die Alm geschafft hatten,
waren es noch sechsundzwanzig, die auf den Titelgewinn hofften, aber eigentlich
hatten nur er und Martin2 eine reelle Chance, in diesem Jahr zu gewinnen. Er
musste es einfach schaffen. Und wenn alles nichts hilft, hatte sein Vater
gesagt, dann muss man dem Glück eben ein bisschen auf die Sprünge helfen, und
ihm ein kleines
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