Mords-Bescherung
schimpfte der Sohn vom
Weihnachtsmann. »Was ist hier los in Österreich?«
Die Einheimischen sahen sich verzweifelt an. Dann holte der
stellvertretende Weihnachtsgeschenkeproduktionsstättenleiter tief Luft und
breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus. »Das war alles seine Idee.
Esperanzas. Wir können nichts dafür.«
Der Sohn vom Weihnachtsmann runzelte seine Stirn, was unter der blauen
Dienstmütze gar nicht so einfach war. »Erklären Sie mir das bitte genauer«, bat
er irritiert.
»Ach, da gibt es nicht viel zu erklären. Als er vor vier Monaten die
Nachfolge vom alten Chef angetreten hat, kam er sofort damit an. Dass die
Europäer viel zu lange schon den eigentlichen Wert von Weihnachten vergessen
hätten, dass es ihnen nur noch um die Geschenke gehen würde. Und dass es in
seiner alten Heimat, in Südamerika, noch ganz anders sei. Deshalb wollte er
diesem Konsumrausch ein Ende bereiten.«
»Mit Panflöten und Kautschukmiedern?«
»Ja, alles mit traditionellen südamerikanischen Produkten. Die
hatten in seiner alten Filiale wohl noch Überproduktionen aus den letzten
Jahren. Wir brauchten ja etwas Zeit, bis wir die Produktionsstraßen hier bei
uns umgestellt hatten.«
»So ein Schwachsinn«, meinte der WMSD -Mann
abfällig.
»Esperanza war nicht davon abzubringen«, fuhr der stellvertretende
Weihnachtsgeschenkeproduktionsstättenleiter fort. »Sie wissen ja, seit der
großen Strukturreform von vierundachtzig sind die einzelnen Filialen autonom.«
»Und Sie haben diese neue Linie mitgetragen? Obwohl Ihnen klar sein
musste, was das für einen Aufstand geben wird, wenn in halb Österreich am
Heiligen Abend die Gesichter lang und länger werden?«
»Was sollten wir denn machen?«, entfuhr es dem Gewerkschaftswichtel
erregt. »Unser Betriebsrat ist bei solchen Dingen nicht
mitbestimmungspflichtig. Und außerdem –«
»Wir haben natürlich versucht«, unterbrach der Assistentenwichtel
schnell, »unsere Meinung vorzutragen. Aber Esperanza war von seiner Vision
überzeugt.«
»Da war es ja ein glücklicher Umstand, dass die Kanonenkugeln auf
ihn gefallen sind«, ätzte der Sohn vom Weihnachtsmann.
»Unsere Lagerkapazitäten waren auf solche Güter nicht ausgelegt«,
verteidigte sich der stellvertretende
Weihnachtsgeschenkeproduktionsstättenleiter. »Und Fehler können überall
passieren. Wie vor einem halben Jahr, als sich der künstliche Schnee aus
Kolumbien für die Schneekugeln als Kokain entpuppte.«
Der WMSD -Mann seufzte und nahm endlich
die alberne blaue Kappe vom Kopf. »Sie schaffen es tatsächlich, bis Weihnachten
die ausgefallene Produktion aufzuholen?«
»Selbstverständlich«, nickte der Assistentenwichtel eifrig. »Wenn
wir auf die Pausen verzichten, können wir sogar die ganzen Wünsche aufarbeiten,
die Esperanza mit seinem Südamerikakram abspeisen wollte. Unsere Leute sind die
leistungsfähigsten in ganz Österreich.«
»Wirklich?«, fragte der Sohn vom Weihnachtsmann mit hochgezogener
Augenbraue. »Nun, dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Es gibt ja keinen
wirklichen Hinweis darauf, dass es sich nicht um einen Unglücksfall gehandelt
hat.«
»Sie glauben uns?«, fragte der stellvertretende Weihnachtsgeschenkeproduktionsstättenleiter
atemlos.
»Natürlich. Wie hätten Sie denn wissen können, dass Manuel Garcia
Fuentes de Esperanza genau in dem Moment unter den Paketen stand, als sie
herunterfielen? Außerdem, wir arbeiten alle für den Weihnachtsmann. Es wäre ja
nicht auszudenken, wenn einer von uns tatsächlich ein solches Verbrechen
begehen würde.«
Die Augen der beiden Wichtel leuchteten erfreut auf, der
stellvertretende Weihnachtsgeschenkeproduktionsstättenleiter seufzte genauso
laut wie damals zu Beginn der Besenkammeraffäre mit der Chefelfe.
»Nun gut, es gibt hier nichts mehr für mich zu tun«, erklärte der
Sohn vom Weihnachtsmann. »Wann geht der nächste Transporter zurück zum Nordpol?
In fünf Minuten? Den schaffe ich noch. Und ich verlasse mich auf Sie, dass
Weihnachten in Österreich ohne Enttäuschungen über die Bühne geht.«
»Haben die etwas gemerkt?«, fragte der Weihnachtsmann kurze Zeit
später, als sein Sohn die abhörsichere Verbindung aus dem Transporter zu ihm
hergestellt hatte.
»Nicht die Bohne, Paps. Aber es war eine Blödsinnsidee von dir,
diesen durchgeknallten Südamerikaner nach Österreich zu schicken, anstatt ihn
einbuchten zu lassen.«
»Ach Sohn, ich war Esperanza so viel schuldig, ich habe gedacht, er
hätte eine
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