Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
unserem Angelverein und seine Initialen drauf. Und den Rucksack, den nimmt der Valentin immer mit.«
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»Ja, aus Hamburg kommen Sie? Ach, ach. Da war ich auch mal. Am Hafen war ich. Viel Wasser habt ihr da. Aber keine Biergärten«, grantelte der Ortspolizist, der sich mit »I bin der Zebhauser« vorgestellt hatte und so ziemlich jedes Klischee eines Bayern erfüllte. Er trug Krachlederne und einen Lodenhut mit Gamsbart, hatte einen Zwirbelbart und trug grüne Strümpfe.
»Eigentlich hab ich heute frei«, hatte er Gabriel erklärt. »Grad wollt ich zum Singen gehn.«
Gabriel interessierte das herzlich wenig. Er war genervt von dem Zebhauser und bemühte sich nicht, diese Tatsache zu verbergen. Dieses Bayern, diese Bayern und dieser entsetz liche Dialekt würden ihn über kurz oder lang noch wahnsinnig machen.
»Das tut mir wirklich leid«, sagte er, um halbwegs höflich zu bleiben. »Wenn Sie möchten, kann ich auch alleine …«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte der Zebhauser und zwirbelte den Bart. Er holte eine Brötchentüte aus seinem Janker und packte umständlich eine Laugenbrezel aus. Es war ihm ganz offensichtlich überhaupt nicht recht, dass da plötzlich jemand aus dem Norden kam und ihm womöglich erklärte, was er zu tun und zu lassen hatte.
Jetzt fehlt nur noch die Weißwurst, dann kann er sich als bayerisches Urgestein auf einer Leinwand verewigen lassen, dachte Gabriel. Und dann beschloss er, sich erst mal nicht mehr über den Zebhauser aufzuregen, sondern sich um die wichtigen Dinge vor Ort zu kümmern.
Um diesen Mann beispielsweise, der da vor ihm lag.
Und um diesen anderen Mann daneben, der genauso tot war.
Der Alfred hatte recht gehabt. Das war Gabriel klar geworden, nachdem der Taucher die Leichen gefunden hatte. Sofort, nachdem Alfred ihn über den Rucksack und seinen Besitzer informiert hatte, hatte Gabriel auf der Wache angerufen. Und kurze Zeit später waren sie alle hier gewesen, an diesem idyllischen Plätzchen am unbewohnten Kloster im beschaulichen Örtchen Tutzelwang im Chiemgau.
Was für ein Zufall, dass Gabriel sich überhaupt hier aufhielt! Er hatte gefragt, wo man ein paar geruhsame Tage verbringen und mit einem Hund gut spazieren gehen könne, und die Kollegen in München hatten von diesem »wunderschönen Fleckchen Erde« so geschwärmt. Für Hunde sei das ein Paradies. Leider hatten die netten Kollegen vergessen, dass man sich momentan im Monat Juli befand und noch Schonzeit für das Wild war. Überall drohten einem Schilder mit Sanktionen, sollte man seinen Hund frei laufen lassen. Schönen Dank auch! Also war Gabriel mit Mutter an der Leine herumgelaufen, bis sie sich losgerissen und am Teich gebuddelt hatte, als ginge es um ihr Leben.
Und jetzt hatten sie hier zwei Wasserleichen, was nicht gerade die angenehmste Form von Leichen war. Auch wenn es eigentlich gar keine Form von Leichen gab, die Wolf Gabriels Laune in irgendeiner Weise steigerte.
Ein weiteres Auto fuhr vor, und Gabriel sah einen fast zwei Meter großen Mann, der gemächlich auf ihn und den Zebhauser zukam. Der Rechtsmediziner hatte sich ganz schön beeilt. Immerhin waren es von München bis hierher über hundert Kilometer. Gabriel begrüßte ihn kurz und beschloss dann, auf einer der zahlreichen Bänke am Teich zu warten. Er musste sich dringend mal setzen.
Seinen geruhsamen Kurzurlaub konnte er sich vermutlich abschminken. Mutter war immer noch aufgeregt, aber Gabriel hatte sie inzwischen wieder angeleint. Er sah sie nachdenklich an. Ihre Leidenschaft, überall herumzubuddeln und sich im Dreck zu wälzen, war vielleicht doch manchmal ganz hilfreich.
Der Rechtsmediziner hieß Doktor Ferdinand Kühn und hatte einen Silberblick, was Gabriel ganz nervös machte.
»Ich muss das im Institut nachprüfen«, sagte er immer wieder ausweichend. »Bisher kann ich nur so viel sagen, dass die beiden Männer höchstwahrscheinlich noch nicht so sehr lange im Wasser gelegen haben. Ich vermute auch, dass sie zeitgleich in diesem Teich abgelegt wurden.«
»Was genau heißt das?«, fragte Gabriel und überlegte kurz, wie oft in seiner Laufbahn er diese Frage an einem Tatort gestellt hatte.
Kühn schielte ihn an. »Es gibt noch keine Fettwachsbildung, die haben wir erst nach ein paar Monaten«, erklärte er hoheitsvoll. »Aber Haut und Haare sind ablösbar. Die Gesichter sind aufgedunsen. Und es haben sich bereits schwarzgrüne Verfärbungen auf Bauch und Brust gebildet. Da wir Sommer haben und der
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